Edition
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Confessiones
Caput 18
Quid autem mirum, quod in vanitates ita ferebar, et a te, deus meus, ibam foras, quando mihi imitandi proponebantur homines, qui aliqua facta sua non mala si cum barbarismo aut soloecismo enuntiarent, reprehensi confundebantur; si autem libidines suas integris et rite consequentibus verbis copiose ordinateque narrarent, laudati gloriabantur? vides haec, domine, et taces, longanimis et multum misericors et verax. numquid semper tacebis? et nunc erues de hoc inmanissimo profundo quaerentem te animam et sitientem delectationes tuas, et cuius cor dicit tibi: quaesivi vultum tuum; vultum tuum, domine, requiram: nam longe a vultu tuo in affectu tenebroso. non enim pedibus aut spatiis locorum itur abs te aut reditur ad te, aut vero filius ille tuus equos aut currus vel naves quaesivit aut avolavit pinna visibili aut moto poplite iter egit, ut in longinqua regione vivens prodige dissiparet quod dederas proficiscenti, dulcis pater, quia dederas, et egeno redeunti dulcior: in affectu ergo libidinoso, id enim est tenebroso atque id est longe a vultu tuo. vide, domine deus meus, et patienter, ut vides, vide, quomodo diligenter observent filii hominum pacta litterarum et syllabarum accepta a prioribus locutoribus, et a te accepta aeterna pacta perpetuae salutis neglegant: ut qui illa sonorum vetera placita teneat aut doceat, si contra disciplinam grammaticam sine adspiratione primae syllabae hominem dixerit, magis displiceat hominibus, quam si contra tua praecepta hominem oderit, cum sit homo. quasi vero quemlibet inimicum hominem perniciosius sentiat quam ipsum odium, quo in eum irritatur, aut vastet quisquam persequendo alium gravius, quam cor suum vastat inimicando. et certe non est interior litterarum scientia quam scripta conscientia, id se alteri facere quod nolit pati. quam tu secretus es, habitans in excelsis in silentio, deus solus magnus, lege infatigabili spargens poenales caecitates supra inlicitas cupiditates, cum homo eloquentiae famam quaeritans ante hominem iudicem, circumstante hominum multitudine, inimicum suum odio inmanissimo insectans, vigilantissime cavet, ne per linguae errorem dicat: Inter omines, et ne per mentis furorem hominem auferat ex hominibus non cavet.
Übersetzung
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Bekenntnisse
18. Die Menschen halten zwar ängstlich auf Beobachtung der Vorschriften der Grammatiker, aber nicht auf die der Gebote Gottes.
Kein Wunder aber, daß ich mich so zu Eitelkeiten fortreißen ließ und von dir, mein Gott, mich abwandte. Sollte ich doch in Menschen mein Vorbild erblicken, welche, wenn ihnen bei der Erzählung ihrer guten Handlungen ein Barbarismus oder Solöcismus1 unterlief, infolge des sie treffenden Tadels in höchste Bestürzung gerieten, dagegen sich rühmten und auch von anderen gepriesen wurden, wenn sie von ihren Wollüsten in tadelloser, wohlgeordneter Sprache mit rednerischer Fülle und in schöner Disposition berichteten. Dies siehst du, o Herr, und schweigst, da du „langmütig und von großer Barmherzigkeit und Wahrheit bist“2. Wirst du etwa immer schweigen? Schon jetzt entreißt du diesem so entsetzlichen Abgrunde die Seele, die dich sucht und nach deinen Wonnen dürstet, und den, der in seinem Herzen zu dir spricht: „Dein Antlitz habe ich gesucht; dein Antlitz, o Herr, will ich suchen“3. Denn von deinem Antlitz fern sein heißt in dunklen Leidenschaften sein. Denn nicht mit den Füßen und nach räumlichen Abständen entfernt man sich von dir oder kehrt zu dir zurück. So hat auch nicht der verlorene Sohn im Evangelium sich nach Pferden oder Wagen oder Schiffen umgetan; auch ist er nicht mit sichtbarer Schwinge davongeflogen oder hat mit gebogenem Knie den Weg zurückgelegt, um in fremdem Lande zu vergeuden, was du ihm bei seiner Abreise gegeben hattest, liebevoller Vater, der du ihm noch größere Liebe erwiesest, da er in Armut zurückkehrte. Wollüstiges Begehren also ist finsteres Begehren, und das heißt fern von deinem Antlitze wandeln.
Siehe, Herr, mein Gott, und sieh in deiner gewohnten Langmut, wie peinlich die Menschenkinder auf die S. 23 Satzungen der Sprache und die Regeln der Buchstaben, die sie von anderen überkommen haben, achten, aber die von dir empfangenen steten Unterpfänder des ewigen Heiles vernachlässigen. Wenn also einer von jenen Hütern und Lehrern der Satzungen der Grammatik das Wort "Mensch" falsch ausspricht, so mißfällt er den Menschen mehr, als wenn er gegen deine Gebote seinen Mitmenschen, obwohl er sein Bruder ist, haßte. Und doch ist nicht das Bewußtsein, einen Feind zu haben, so verderblich als der Haß, den man gegen ihn in sich trägt, und niemand fügt seinem Feinde, den er verfolgt schwereren Schaden zu als durch diese Feindseligkeit seinem eigenen Herzen. Und doch ist sicher die Kenntnis der Buchstaben nicht tiefer ins Herz geschrieben als jenes Bewußtsein, daß wir da einem andern tun, was wir selbst nicht leiden wollen. Wie bist du doch so geheimnisvoll, du großer, einziger Gott, der du schweigend in den Höhen thronst und nach deinem unwandelbaren Gesetz mit Blindheit unerlaubte Leidenschaften strafst. Wenn ein Mensch, der nach dem Ruhme der Beredsamkeit strebt, umgeben von einer großen Menschenmenge vor dem menschlichen Richter steht und nun gegen seinen Feind mit dem grimmigsten Haß losgeht, so hütet er sich mit ängstlicher Sorgfalt, etwa durch eine falsche Konstruktion Unkenntnis der Grammatik zu verraten; aber in der Wut seines Herzens einen Menschen aus der menschlichen Gesellschaft hinwegzureißen, davor schreckt er nicht zurück.