Edition
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Confessiones
Caput 7
Exaudi, deus. vae peccatis hominum! et homo dicit haec, et misereris eius, quoniam tu fecisti eum et peccatum non fecisti in eo. quis me commemorat peccatum infantiae meae, quoniam nemo mundus a peccato coram te, nec infans, cuius est unius diei vita super terram? quis me commemorat? an quilibet tantillus nunc parvulus, in quo video quod non memini de me? quid ergo tunc peccabam? an quis uberibus inhiabam plorans? nam si nunc faciam, non quidem uberibus, sed escae congruenti annis meis ita inhians, deridebor atque reprehendar iustissime. tunc ergo reprehendenda faciebam, sed quia reprehendentem intellegere non poteram, nec mos reprehendi me nec ratio sinebat. nam extirpamus et eicimus ista crescentes, nec vidi quemquam scientem, cum aliquid purgat, bona proicere. an pro tempore etiam illa bona erant, flendo petere etiam quod noxie daretur, indignari acriter non subiectis hominibus liberis et maioribus, hisque, a quibus genitus est, multisque praeterea prudentioribus non ad nutum voluntatis obtemperantibus, feriendo nocere niti quantum potest, quia non oboeditur imperiis, quibus perniciose oboediretur? ita imbecillitas membrorum infantilium innocens est, non animus infantium. vidi ego et expertus sum zelantem parvulum: nondum loquebatur, et intuebatur pallidus amaro aspectu conlactaneum suum. Quis hoc ignorat? expiare se dicunt ista matres atque nutrices nescio quibus remediis. nisi vero et ista innocentia est, in fonte lactis ubertim manante atque abundante opis egentissimum et illo adhuc uno alimento vitam ducentem consortem non pati. sed blande tolerantur haec, non quia nulla vel parva, sed quia aetatis accessu peritura sunt. quod licet probes, cum ferri aequo animo eadem ipsa non possunt, quando in aliquo annosiore deprehenduntur. tu itaque, domine deus meus, qui dedisti vitam infanti et corpus, quod ita, ut videmus, instrusisti sensibus, compegisti membris, figura decorasti, proque eius universitate atque incolumitate omnes conatus animantis insinuasti, iubes me laudare te in istis et confiteri tibi et psallere nomini tuo, altissime, quia deus es omnipotens et bonus, etiamsi sola ista fecisses, quae nemo alius potest facere nisi tu, une, a quo est omnis modus, formosissime, qui formas omnia et lege tua ordinas omnia. Hanc ergo aetatem, domine, qua me vixisse non memini, de qua aliis credidi et quam me egisse ex aliis infantibus conieci, quamquam ista multum fida coniectura sit, piget me adnumerare huic vitae meae, quam vivo in hoc saeculo. quantum enim adtinet ad oblivionis meae tenebras, par illi est, quam vixi in matris utero. quod si et in iniquitate conceptus sum, et in peccatis mater mea me in utero aluit, ubi, oro te, deus meus, ubi, domine, ego, servus tuus, ubi aut quando innocens fui? sed ecce omitto illud tempus: et quid mihi iam eum eo est, cuius nulla vestigia recolo?
Übersetzung
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Bekenntnisse
7. Auch die erste Kindheit ist nicht frei von Sünde.
Erhöre mich, o Gott! Wehe über die Sünden der Menschen! Und so spricht ein Mensch, dessen du dich erbarmst, da du ihn zwar, nicht aber die Sünde in ihm geschaffen hast. Wer erinnert mich an die Sünden meiner Kindheit? Ist doch niemand vor dir frei von Sünde, nicht einmal das Kind, das erst einen Tag auf der Erde lebt. Wer ruft sie mir zurück? Doch wohl jedes kleine Menschenkind, an dem ich sehe, wessen ich mich von mir nicht erinnern kann. Worin bestand also damals meine Sünde? Etwa weil ich unter Tränen so heftig nach der Mutterbrust begehrte? Und in der Tat - wenn ich es nun täte und zwar nicht nach den Brüsten, wohl aber nach einer für mein fortgeschrittenes Alter passenden Speise heftig verlangte, man würde mich mit vollem Rechte auslachen und tadeln. Damals also tat ich Tadelnswertes; aber weil ich noch nicht auf die Stimme eines Tadlers merken konnte, durfte ich weder nach Brauch noch nach Vernunft getadelt werden. Denn mit den Jahren rotten wir schließlich selbst solche Unarten aus und legen sie ab. Und noch keinen habe ich gesehen, der mit Bewußtsein Gutes wegwürfe, wenn er etwas reinigen wollte. Oder war das auch gut in Anbetracht des Alters, weinend nach etwas zu begehren, was doch nur zum Schaden hätte gegeben werden können, sich heftig zu entrüsten über freie und erwachsene Menschen, wenn sie nicht zu Willen sein wollten, den Eltern und S. 09 vielen anderen klügeren Leuten, wenn sie nicht auf einen bloßen Wink hin zu Willen waren, nach Möglichkeit schaden zu wollen, weil man eben einem Befehle, dessen Ausführung nur Verderben gebracht hätte, nicht gehorcht? Wenn nun auch die Schwäche der kindlichen Glieder keinen Schaden zufügen kann, so ist ihr Herz doch nicht von Schuld freizusprechen. Ich selbst habe einmal so ein neidisches Kind gesehen; es konnte noch nicht sprechen und sah doch schon blaß vor Neid mit bitterbösem Blick nach seinem Milchbruder. Wer kennt das nicht? Nun sagen freilich Mütter und Ammen, sie könnten es durch weiß Gott was für Mittel später wieder gutmachen. Jedenfalls kann doch von Unschuld gar keine Rede sein, wenn man, während der Strom der Muttermilch überreichlich fließt, den von der Teilnahme ausschließt, der ihrer im höchsten Maße bedarf und allein mit dieser Nahrung sein Leben fristen kann. Aber man läßt derlei nachsichtig hingehen, nicht als ob es gar nichts bedeutete oder geringfügig wäre, sondern weil es sich mit den Jahren von selbst verliert. Der Beweis dafür ist einfach: man läßt sich dergleichen nicht mehr ruhig gefallen, wenn man älter ist.
Du also, mein Gott und Herr, der du dem Kinde das Leben gabest und den Leib, den du, wie wir sehen mit vernünftigen Sinnen ausgerüstet, durch Glieder wohl zusammengefügt, mit einem schönen Äußeren geschmückt und für dessen Erhaltung in seiner Gesamtheit und Unversehrtheit du alles, was der Leben spendende Geist unternimmt, bestimmt hast, du heißest mich, dessentwegen dich loben, „dich bekennen und deinem Namen lobsingen, Allerhöchster“1. Denn du bist der allmächtige und gütige Gott, auch wenn du nur dieses allein getan hättest, was kein anderer tun kann denn du, Einziger, der jegliches Maß bestimmt, Schönster, der du alles schön gestaltest und alles nach deinem Gesetze ordnest. Diesen Abschnitt also meines Lebens, Herr, in dem gelebt zu haben ich selbst mich nicht erinnern kann, hinsichtlich dessen ich den Worten anderer Glauben schenken muß, den ich vermutlich wie viele andere S. 10 Kinder verbracht habe - wiewohl das ein sehr zuverlässiger Schluß ist - diesen Abschnitt also möchte ich meinem Leben in dieser Zeitlichkeit nicht gern hinzuzählen. Denn die gleiche Finsternis völligen Vergessens umhüllt es wie das andere, das ich im Mutterleibe zugebracht habe. Wenn nun das Wort des Psalmisten gilt, „in Ungerechtigkeit bin ich empfangen, und in Sünden hat meine Mutter mich in ihrem Schoße genährt“2, wo, ich flehe dich an, mein Gott, wo, o Herr, bin ich, dein Sklave, wo oder wann bin ich ohne Schuld gewesen? Doch ich sehe von jener Zeit ab: was kümmert sie mich schließlich auch noch, wenn sogar jede Spur von ihr verwischt ist?