Kap. 8. Daß auch die Christen von der Seuche nicht verschont bleiben, darf nicht wundernehmen; denn nicht irdisches Glück ist das Ziel des Christentums. Hier auf Erden sind vielmehr die Gläubigen den gleichen Naturgesetzen, Leiden und Gefahren unterworfen wie die Heiden.
S. 239 Aber freilich, manche stoßen sich daran, daß die Macht der jetzt wütenden Krankheit ebenso wie die Heiden auch die Unsrigen ergreift: gerade als ob der Christ nur deshalb gläubig geworden wäre, um, von der Berührung der Übel verschont, in Glück die Welt und das zeitliche Leben zu genießen, und nicht vielmehr deshalb, um für die künftige Freude aufbewahrt zu werden, nachdem er hier alles Widrige erduldet hat. Es stoßen sich manche daran, daß uns mit den anderen Menschen diese Sterblichkeit gemeinsam sei. Aber was hätten wir denn in dieser Welt mit den übrigen Menschen nicht gemeinsam, solange uns noch nach dem Gesetz der ersten Geburt dieses Fleisch gemeinsam bleibt? Solange wir hier in der Welt weilen, sind wir mit dem ganzen Menschengeschlecht durch die Gleichheit des Fleisches verbunden und nur dem Geiste nach getrennt. Bis also dieses Verwesliche die Unverweslichkeit annimmt und dieses Sterbliche die Unsterblichkeit empfängt1 und bis der Geist uns zu Gott dem Vater führt, solange sind uns all die Mängel, die dem Fleische anhaften, mit dem ganzen Menschengeschlechte gemeinsam2 . So bleibt ja auch, wenn bei Mißwachs der Boden eine nur magere Ernte liefert, keiner vom Hunger verschont; so trifft, wenn eine Stadt bei einem feindlichen Einfall besetzt worden ist, das Los der Knechtschaft alle zugleich; und wenn ein heiterer Himmel den Reges fernhält, dann haben alle unter der gleichen Trockenheit zu leiden; und wenn das Schiff an einem Felsenriff zerschellt, so ist der Schiffbruch für alle Insassen ohne Ausnahme gemeinsam. Und so haben wir auch die Augenschmerzen, die Fieberanfälle und die allgemeine Gliederschwäche mit den anderen gemeinsam, solange wir in der Welt dieses Fleisch gemeinsam an uns tragen.
