Zweiter Artikel. Einige Zustände werden durch Akte oder Thätigkeiten verursacht.
a) Das Gegenteil scheint wahr zu sein. Denn: I. Der Zustand ist eine gewisse Eigenschaft. (Kap. 49, Art. 1.) Jede Eigenschaft aber wird dadurch in einem Subjekte verursacht, daß dieses Subjekt etwas aufnehmen oder in sich empfangen kann. Da nun was wirkend ist dadurch selber nicht etwas in sich aufnimmt oder empfängt, sondern vielmehr etwas von sich weggiebt, so scheint es, daß aus der eigenen Wirksamkeit keinerlei Zustand verursacht werden kann. II. Wo eine Eigenschaft verursacht wird, da vollzieht sich eine Bewegung zu dieser Eigenschaft hin; wie das offenbar ist, wenn ein Gegenstand kalt oder warm wird. Was aber jenen Akt wirkt, der die Eigenschaft verursacht, das giebt die Bewegung vielmehr und ist nach dieser Seite hin nicht in Bewegung; wie jenes z. B., was da warm macht oder kalt. Würde also in jemandem die eigene Wirksamkeit einen Zustand verursachen, so wäre die Folge, daß etwas in derselben Beziehung zugleich in Bewegung setzte und bewegt wäre, gäbe und empfange; was unmöglich ist. III. Die Wirkung kann im Range nicht höher stehen wie die entsprechende Ursache. Der Zustand aber steht höher wie die ihm vorhergehende Thätigkeit; denn er macht, daß die ihm entfließende Thätigkeit eine bessere, höhere ist. Auf der anderen Seite lehrt Aristoteles (2 Ethic. 1.), daß die Zustände der Tugenden und Laster von den entsprechenden Akten verursacht werden. b Ich antworte, daß bisweilen im Thätigseienden nur und einzig das wirksam thätige Princip seiner Wirksamkeit sei; wie z. B. im Feuer nur das thätige Princip des Warmwerdens ist; — und in solch einem Thätigseienden kann kein Zustand aus der eigenen Thätigkeit hervorgehen. Demgemäß können (2 Ethic. 1.) die rein natürlichen Dinge sich nichts angewöhnen und nichts sich abgewöhnen. In den menschlichen Thätigkeiten aber findet sich im Thätigseienden das bestimmende, wirksam thätige Princip seines Wirkens; und ebenso das leidende, aufnehmende oder bestimmbare. Denn die Thätigkeiten der begehrenden Kraft gehen aus von dieser, insoweit sie in Thätigkeit gesetzt wird von der auffassenden Kraft, die den Gegenstand vorstellt. Und ebenso hat die Vernunftkraft, insoweit sie die Schlüsse zum Gegenstande ihres Vorgehens macht, als das bewegende oder Anstoß gebende Princip einen Grundsatz, der in und durch sich selbst gekannt ist. Aus solchen Thätigkeiten also können in den Thätigseienden einige Zustände verursacht werden; nicht zwar soweit das erste einwirkende Princip in Betracht kommt, sondern soweit jenes Princip erwogen wird, welches in Thätigkeit setzt, nachdem es selber in Thätigkeit gesetzt worden ist, wo also Vermögen und Thätigsein gemischt sind. Denn jegliches Wesen, welches von einem anderen her empfängt und in Bewegung gesetzt wird, erhält eine gewisse Verfassung durch den Einfluß des Einwirkenden. Sonach wird aus oft wiederholter Thätigkeit in dem aufnehmenden und in Thätigkeit gesetzten Vermögen eine gewisse Eigenschaft erzeugt, welche man Zustand nennt; wie die Zustände der moralischen Tugenden in den begehrenden Vermögen verursacht werden, je nachdem diese in Bewegung gesetzt sind durch die Vernunft; und die Zustände der Wissenschaften in der Vernunft verursacht werden auf den Anstoß hin, der von den allgemeinen ersten Grundwahrheiten ausgeht.
c) I. Das Einwirkende als solches empfängt nichts; wohl aber insoweit es selber wieder in Thätigkeit gesetzt ist. II. Das Nämliche kann unter verschiedenen Gesichtspunkten von sich selber bewegt werden; nicht nach ein und derselben Seite hin. III. Der dem Zustande vorhergehende Akt geht von einem wirksam thätigen Princip aus; und insoweit steht sein Princip höher als der erzeugte Zustand. So steht die Vernunft als Princip höher wie die moralischen Tugenden im begehrenden Teile; und das Verständnis der ersten allgemeinen Grundwahrheiten steht höher wie die Wissenschaft von den Schlußfolgerungen.
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