Vierter Artikel. Die Früchte des heiligen Geistes sind entgegengesetzt den Werken des Fleisches.
a) Das scheint nicht. Denn: I. Was zu einander im Gegensatze steht, kommt in der nämlichen „Art“ überein. Die Werke des Fleisches aber werden nicht „Früchte“ des Fleisches genannt. Also ist da kein eigentlicher Gegensatz. II. Mehr Werke des Fleisches zählt der Apostel auf als Früchte des heiligen Geistes. Wäre aber da ein Gegensatz, so müßte immer ein „Werk“ gegenüberstehen einer „Frucht“. III. Die ersten Früchte des Geistes sind: „Liebe, Freude, Friede.“ Denselben aber entsprechen nicht die ersten Werke des Geistes: „Unkeuschheit, Unreinheit, Schamlosigkeit.“ Auf der anderen Seite sagt der Apostel (Gal. 5, 7.): „Das Fleisch begehrt gegen den Geist und der Geist gegen das Fleisch.“
b) Ich antworte; die Werke des Fleisches und die Früchte des Geistes können zuerst im allgemeinen betrachtet werden; und so sind sie entgegengesetzt. Denn der heilige Geist bewegt den Menschengeist gemäß der Vernunft oder vielmehr nach dem hin, was über der Vernunft erhaben ist. Das Begehren des Fleisches aber zieht den Menschen zu den sinnlichen Dingen, die unter dem Menschen sind. Wie also die Bewegung nach oben im Bereiche der Natur entgegengesetzt ist der Bewegung nach unten, so sind entgegengesetzt die Werke des Fleisches den Früchten des Geistes. Wird jedoch jedes einzelne Fleischeswerk betrachtet, so ist es nicht notwendig, daß es einer einzelnen unter den aufgezählten Früchten gegenüberstehe und so ein Fleischeswerk immer entgegengesetzt sei einer Frucht; denn der Apostel hat nicht die Absicht alle Werke des Fleisches und alle Früchte des Geistes der Zahl nach uns vorzuführen. In einem gewissen Sinne aber paßt Augustin (l. c.) den einzelnen Werken des Fleisches die einzelnen Früchte des Geistes an. Der Unkeuschheit, die da ist die Befriedigung der geschlechtlichen Begierde außerhalb der gesetzmäßigen Ehe, stellt er entgegen die heilige Liebe, welche die Seele mit Gott verbindet und welche die wahre Keuschheit enthält. Unreinigkeiten sind alle inneren Verwirrungen, die aus jener Unkeuschheit entstehen; und ihnen entgegen ist die Freude. Die Götzendienerei, kraft deren gegen das Evangelium Christi Krieg geführt worden ist, steht gegenüber dem Frieden. Den Giftmischereien, Feindschaften, Streitigkeiten, Aufregungen, Eifersüchteleien, Zwieträchtigkeiten sind entgegengesetzt die Langmut, um die von anderen zugefügten Übel zu ertragen, das Wohlwollen, um anderen zu helfen, die Güte, um zu verzeihen. Den Ketzereien steht gegenüber der Glaube, dem Neide die Sanftmut, dem Wohlleben die Enthaltsamkeit.
c) I. Was gegen die Natur des Baumes von ihm ausgeht, ist keine Frucht, sondern ein Verderben desselben. Weil aber die Tugendwerke gemäß der Vernunft sind, die Werke der Laster gegen dieselbe, heißen die ersten: „Früchte“, nicht aber die zweiten. II. „Gut“ verhält sich immer auf ein und dieselbe Weise, das Übel aber ist vielfältig, sagt Dionysius. (4. de div. nom.) Deshalb stehen einer Tugend mehrere Laster gegenüber; und deshalb sind mehr Werke des Fleisches, wie Früchte des Geistes. III. Ist bereits oben beantwortet.
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