Dritter Artikel. Nicht die Vernunft eines Jeden kann Gesetze machen.
a) Das Gegenteil scheint aufzustellen: I. Paulus (Röm. 2.): „Da die Heiden, welche kein Gesetz haben, von Natur aus das Gesetz erfüllen, sind sie sich selber Gesetz.“ II. Aristoteles (2 Ethic. 1.): „Die Absicht des Gesetzgebers ist, daß er den Menschen zur Tugend anleite.“ Jeder Mensch kann dies aber. III. Der Fürst ist der Obere des politischen Gemeinwesens, der Familienvater in der Familie. Der erstere aber kann Gesetze erlassen, also auch der letztere für seine Familie. Auf der anderen Seite sagt Isidorus (5 Etym. 10.): „Das Gesetz ist ein Volksstatut, wonach die Vornehmen zugleich mit denen aus dem Volke etwas festgestellt haben.“ Nicht jeder also kann Gesetze machen.
b) Ich antworte, das Gesetz beschäftige sich in erster Linie mit dem Gemeinbesten. Etwas bestimmen aber zum gemeinen Besten ist entweder Sache aller derer, welche die Gemeinschaftlichkeit zusammensetzen, oder dessen, der an der Spitze steht und die gemeinschaftlichen Angelegenheiten verwaltet. Also entweder allen zusammen kommt es zu, Gesetze zu gründen oder dem an der Spitze Stehenden. Denn auch in allen anderen Dingen ist es die Sache dessen, zum Zwecke hinzubeziehen, dem jener Zweck als ihm besonders eigener zukommt.
c) I. Das Gesetz ist auch in jemandem wie in dem, der durch das Gesetz geregelt wird; und so ist jeder sich Gesetz, insoweit er teilhat an der Ordnung, die von einem Regelnden ausgeht. Deshalb wird auch Röm. 2. hinzugefügt: „Die da zeigen, wie das Werk des Gesetzes in ihre Herzen geschrieben ist.“ II. Eine Privatperson kann nicht wirksam zur Tugend anleiten; denn sie kann nicht zwingen d. h. verpflichten, was aber nach 10 Ethic. ult. Sache des Gesetzes ist, das strafen kann, wenn das vorgeschriebene Gute nicht gemacht wird. Diese Gewalt zu strafen hat nur das Gemeinwesen als Ganzes, vgl. II) II, Kap. 64, Art. 3; und somitt gehört es ihm oder seinem Vertreter zu, Gesetze zu machen. III. Der einzelne ist Teil einer Familie, diese Teil eines Staates. Der Staat aber ist nach 1 Po!it. 1. ein vollendetes Gemeinwesen. Wie also das dem einzelnen entsprechende Gute Beziehung hat zum letzten Endzwecke; so auch das der Familie zu jenem Guten, das dem Gemeinwesen entspricht. Der Familienvater also kann Manches wohl vorschreiben; aber nicht eigentliche Gesetze machen.
