Zweiter Artikel. Die Ceremonien des Alten Bundes hatten keine Kraft, um zu rechtfertigen, zur Zeit des „Gesetzes“.
a,) Die Ceremonien des Alten Gesetzes konnten rechtfertigen. Denn: I. Entsündigen und einen Menschen weihen, gehört zur Rechtfertigung. Exod. 29. aber wird gesagt, durch Besprengung mit Blut und durch Salbung mit Öl würden die Priester und ihre Kleider geweiht; — Lev. 16. zudem heißt es, daß der Priester durch Besprengung mit dem Blute eines Kalbes das Heiligtum entsündigte von den Unreinigkeiten der Kinder Israels und von ihren Übertretungen und Sünden. Also rechtfertigten die Ceremonien des Alten Bundes. II. Gott gefallen gehört zur Gerechtigkeit, nach Ps. 10.: „Gerecht ist der Herr und die Gerechtigkeiten hat Er geliebt.“ Kraft der Ceremonien aber gefielen einzelne Gott, nach Lev. 10.: „Wie konnte ich Gott gefallen in den Ceremonien mit Trauer in der Seele.“ III. Die Ceremonien des Alten Gesetzes sind mehr auf die Seele berechnet wie auf den Leib; sagt doch der Psalmist (Ps. 18): „Das Gesetz Gottes ist fleckenlos, es bekehrt die Seelen.“ Nun wurden durch sie aber sogar Aussätzige gereinigt, nach Lev. 14. Also um so mehr reinigten sie die Seele und rechtfertigten sie. Auf der anderen Seite sagt Paulus (Gal. 2.): „Wenn ein Gesetz gegeben worden wäre, welches rechtfertigen könnte, so wäre Christus vergebens gestorben,“ d. h. es würde dies nicht notwendig gewesen sein; was unzulässig ist.
b) Ich antworte; im Alten Gesetze war 1. eine geistige Unreinheit, die der Schuld; und 2. eine körperliche, die unfähig machte, dem göttlichen Dienste sich zu nahen; wie der Ausscitzige dies war oder der einen Toten berührt hatte, also eine gewisse Unregelmäßigkeit (Irregularität). Von der letzteren Unreinheit nun konnten die Ceremonien des Alten Bundes befreien; denn dergleichen Ceremonien eben waren nichts als Arzneien, welche das „Gesetz“ selber anwandte, um jene Unregelmäßigkeiten zu heben, welche das „Gesetz“ bestimmt hatte. Deshalb sagt der Apostel (Hebr. 9.): „Das Blut der Böcke und der Ochsen und die Besprengung mit der Asche des Kalbes heiligt die befleckten, so daß ihr Fleisch gereinigt wird.“ Deshalb wird auch die Gerechtigkeit, welche die Ceremonien begleitet, als „Gerechtigkeit des Fleisches“ vom Apostel bezeichnet, gemäß Hebr. 9., gleich nach den angeführten Worten. Die wahrhafte Entsündigung aber konnte nur durch Christum geschehen, „dem Lamme, das hmwegnimmt die Sünden der Welt.“ (Joh. 1, 29.) Da also das Geheimnis der Menschwerdung und des bitteren Leidens Christi noch nicht vollbracht war, deshalb konnten die Ceremonien des Alten Gesetzes nicht in sich thatsächlich die Kraft einschließen, welche von der Menschwerdung und dem Leiden Christi ausfließt; wie dies bei den Sakramenten des Neuen Bundes der Fall ist. Sie konnten also nicht von der Sünde reinigen; wie dies der Apostel sagt: „Unmöglich können durch Böcke- und Rinderblut die Sünden entfernt werden.“ (Hebr. 10.) Deshalb nennt der nämliche Apostel diese Ceremonien Gal. 4, 9. „ohnmächtige Elemente;“ und zwar kommt diese Ohnmacht daher, daß sie bedürftig sind; d. h. daß sie die Gnade, um von Sünde zu reinigen, nicht in sich enthalten. Jedoch konnte der Geist der Gläubigen zur Zeit des „Gesetzes“ vermittelst des Glaubens mit Christo verbunden werden; und so ward derselbe gerechtfertigt durch den Glauben an Christum. Und gerade die Beobachtung der Ceremonien des „Gesetzes“ war ein Bekenntnis dieses Glaubens an den kommenden Erlöser. Wurden also im Alten Bunde Opfer dargebracht „für die Sünde,“ so kam nicht durch sie die Reinigung von den Sünden sondern weil sie Bekenntmsse jenes Glaubens waren, der von Sünden reinigte. So heißt es denn auch in diesem Sinne Lev. 4.: „Beim Darbringen des Opfers für die Sünde wird der Priester für ihn beten und so wird sie ihm vergeben werden.“ Nicht also kraft des Opfers so sehr wird die Sünde nachgelassen, wie kraft des Glaubens und der Andacht der Opfernden. Und diese Thatsache selbst, daß die Ceremonien des Alten Gesetzes von der körperlichen Unreinigkeit entsühnten, hatte statt, weil dies eine Figur war der Entsündigung durch Christum. Also wohnte diesen Ceremonien für sich allein keine Kraft inne, zu rechtfertigen.
c) I. Jene Weihe des Priesters, der Kleider etc. war nichts Anderes als eine Befähigung, den göttlichen Dienst zu versehen; und eine Entfernung der Hindernisse, soweit es die äußerliche Reinigkeit betraf, um zu versinnbilden jene Heiligung, „vermöge deren Jesus durch sein eigenes Blut sein Volk heiligte.“ (Hebr. 13.) Deshalb wird auch gesagt, man entsündige das Heiligtum, das ja keiner Schuld fähig war. Diese ganze Reinigung war nur eine äußerliche, auf den Körper bezügliche. II. Der Gehorsam, die Andacht und der Glaube an Christum machten die Priester Gott wohlgefällig. III. Nicht der Aussatz ward gereinigt; denn jene Ceremonien wurden erst angewandt, wenn der Aussätzige bereits rein war, nach Lev. 14. (vgl. oben): „Wenn der Priester herausgeht und sieht, daß der Aussatz fort ist, soll er vorschreiben, daß er gereinigt werde etc.“ Der Richter urteilte also nur, ob der Aussätzige gereinigt war oder nicht. Die Ceremonien wurden angewandt, um die Unreinheit der Unregelmäßigkeit für den göttlichen Dienst fortzunehmen. Irrte aber im Urteile der Priester, so sagte man, Gott reinigte durch ein Wunder, nicht durch die Opfer, den Aussätzigen. So faulte auch kraft eines Wunders der Leib jener Ehebrecherin (Num. 5.), nachdem sie von dem Wasser getrunken, wohinein der Priester das Verfluchte geworfen hatte.
