Erster Artikel. Die Thorheit ist der Gegensatz zur Weisheit.
a) Dem wird widersprochen: I. Der Weisheit scheint entgegenzustehen die Unwissenheit. Diese ist aber nicht dasselbe wie die Thorheit. Denn letztere erstreckt sich auf Göttliches und Menschliches; die Unwissenheit dagegen als Gegensatz zur reinen Weisheit nur auf Göttliches. II. Die Thorheit ist der Weg zur Weisheit, nach 1. Kor. 3.: „Wer unter euch meint, weise zu sein, der werde ein Thor, damit er weise sei.“ Ein Gegensatz führt aber nicht zum anderen. III. Die Weisheit ist die Ursache der Thorheit, nach Jerem. 10.: „Ein Thor ist geworden jeder Mensch von seiner Wissenschaft aus;“ womit übereinstimmt Isai. 47.: „Deine Weisheit und deine Wissenschaft haben dich getäuscht.“ Getäuscht werden gehört aber zur Thorheit. IV. Isidor (10 Etymol. litt S.) sagt: „Ein Thor ist, der durch die Schande nicht bestimmt wird zum Schmerze, und auf den das Unrecht keinen Eindruck macht.“ Das gerade aber gehört zur geistigen Weisheit, nach Gregor. (10. moral. 16. et 17.) Also der Weisheit steht die Thorheit nicht gegenüber. Auf der anderen Seite sagt Gregor (2. moral. 26.): „Die Gabe der Weisheit dient gegen die Thorheit.“
b) Ich antworte, die Thorheit oder Dummheit unterscheide sich von der Abgeschmacktheit oder Abgestumpftheit; denn die Thorheit schließt eine gewisse Schwerfälligkeit der Sinne und des Herzens ein, während die Abgestumpftheit einen gänzlichen Mangel an geistigem Sinn besagt. Zukömmlicherweise also wird die Thorheit gegenübergestellt der Weisheit. Denn „der Weise wird“ nach Isidor l. c. „so genannt, weil er geeignet ist, die Unterschiede der Dinge und der Ursachen zu erfassen und voneinander zu trennen.“ Die Thorheit ist somit der konträre Gegensatz zur Weisheit; die Abgestumpftheit der gänzliche reine Mangel derselben. Der Stumpfsinnige urteilt gar nicht im geistigen Sinne, ist unfähig dazu. Der Thor hat schwerfälliges, grobes Urteil. Der Weise hat feines, durchdringendes Urteil.
c) I. Isidor sagt, der in geistigen Dingen gänzlich Unwissende oder Abgeschmackte stehe entgegen dem Weisen, „weil er ohne Geschmack und ohne Unterscheidungskraft für solche Dinge ist.“ Somit ist dies dasselbe wie Thorheit. II. Wie es eine schlechte Weisheit giebt, die nämlich der Welt, welche irdisches vergängliches Gut als letzten Endzweck betrachtet; so giebt es auch eine gute Thorheit, welche das Irdische verachtet. Von dieser spricht der Apostel. III. Die Weisheit der Welt täuscht und betrügt und macht, daß man vor Gott ein Thor ist. IV. Durch Beleidigungen nicht berührt werden, kommt manchmal daher, daß dem Menschen nur das Himmlische schmeckt; das ist die Weisheit Gottes, von der Gregor spricht. Bisweilen kommt dies von völliger Abgestumpftheit, die nichts empfindet.
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