Zweiter Artikel. Der Aberglaube läßt verschiedene Gattungen zu.
a) Dagegen wird geltend gemacht: I. Die Gottesverehrung oder Religion läßt keine verschiedenen Gattungen zu; sondern alle ihre Thätigkeiten oder Akte gehören einer einzigen Gattung an. Also gilt dies auch nach 1 Topic. 13. von dem Aberglauben. II. Gegensätze beziehen sich immer auf den gleichen Gegenstand. Da nun die Gottesverehrung das zum Gegenstande hat, wodurch wir auf Gott bezogen werden; so kann der Aberglaube nicht zum Gegenstande haben das Vorhersagen menschlicher Ergebnisse oder das Beobachten dessen, was ein Mensch thut. III. Zu Koloss. 2. (l. c.) sagt Ambrosius: „Aberglaube“, d. i. „einegeheuchelte Religion“. Also die Heuchelei ist eine Gattung im Aberglauben. Auf der anderen Seite giebt Augustin II. de doctr. christ. 20, 21, 22, 23, 24. die verschiedenen Gattungen Aberglauben an.
b) Ich antworte, der Aberglaube überschreite, wie bereits gesagt, das Maß der Gottesverehrung gemäß einzelnen Umständen. Nun macht nicht jede Verschiedenheit in solchen Umständen eine Verschiedenheit in der Gattung der entsprechenden Sündenart, sondern nur wenn diese Umstände auf verschiedene Gegenstände sich richten oder verschiedene Zweckrichtungen haben; denn danach bestimmt sich die Gattung der moralischen Thätigkeiten. Demgemäß werden die Gattungen des Aberglaubens unterschieden 1. von seiten der Art und Weise, 2. von seiten des Gegenstandes. Es kann nämlich Gott wohl ein Kult dargebracht werden, aber ein ungebührlicher; das ist die erste Gattung Aberglauben. Und es kann einer beliebigen Kreatur göttliche Ehre dargebracht werden; das ist die zweite Art Aberglauben, die in viele Unterabteilungen gemäß den verschiedenen Zwecken zerfällt. Zuerst nun hat der Kult den Zweck, Gott Ehre zu erweisen. Danach ist die erste Gattung Aberglauben der Götzendienst, in dem einer Kreatur göttliche Ehre erwiesen wird. Dann hat der Kult den Zweck, daß der Mensch unterrichtet werde von Gott. Danach ist die zweite Gattung Aberglauben die Schwarzkünstlerei, in welcher die Teufel befragt werden aufGrund eines stillschweigend oder ausdrücklich mit ihnen eingegangenen Übereinkommens. Drittens hat der Kult den Zweck, gemäß den Verfügungen Gottes, der verehrt wird, für die menschlichen Handlungen eine Richtschnur zu sein; und dazu gehört die dritte Art Aberglauben, die sich auf Beobachtung mancher an sich gleichgültiger Vorkommnisse stützt. Diese drei Arten Aberglauben deutet l. c. Augustin an, der da sagt: Abergläubisch ist 1. „was von den Menschen eingerichtet worden, um Götzenbilder zu verehren oder zu machen;“ — 2. „was dazu gehört, die Teufel um Rat zu fragen oder mit ihnen vermittelst gewisser Zeichen ein Übereinkommen zu schließen;“ — und 3. „dazu gehören auch alle Bänder und dergleichen Gegenstände, die beobachtet werden.“
c) I. „Um etwas Gutes herzustellen, müssen alle gehörigen Ursachen in Wirksamkeit sein; damit etwas Schlechtes erfolge, genügt das Fehlen einer einzigen;“ sagt Dionysius. (4. de div. nom. 1.) Daher kommt es, daß einer einzigen Tugend oft mehrere Laster entgegengesetzt sind. Aristoteles spricht von dem Falle, wo der nämliche maßgebende Grund für die Vervielfältigung besteht. II. Die Beobachtung gewisser Vorkommnisse und die Schwarzkünstlerei gehört zum Aberglauben, insoweit sie von einigen Thätigkeiten der Teufel abhängen; und so sind sie einbegriffen in den mit Teufeln eingegangenen Übereinkommen. III. „Erheuchelte Religion“ wird da genannt der Fall, wo rein menschlicher Überlieferung der Name „Religion“ gegeben wird. Also will dies nichts Anderes besagen, als in ungebührlicher Weise Gott einen Kult darbringen; wie wenn jemand jetzt, zur Zeit der Gnade, Gott nach den Riten des Alten Testamentes verehren wollte.
