Erster Artikel. Christo kommt es zu, vorherbestimmt zu sein.
a) Dies scheint nicht. Denn: I. Der Abschluß der Vorherbestimmung ist die Adoptivkindschaft, nach Ephes. 1.: „Er hat uns vorherbestimmt zur Adoptivkindschaft.“ Christo aber kommt letztere nicht zu. II. Christus ist nicht vorherbestimmt mit Rücksicht auf die menschliche Natur; denn dieser Satz ist falsch: „Die menschliche Natur ist der Sohn Gottes.“ Er ist nicht vorherbestimmt mit Rücksicht auf die Person; denn diese Person ist von Natur und nicht durch die Gnade Sohn Gottes. Also ist Christus in keiner Weise vorherbestimmt. III. Was gemacht ist, war nicht immer, was ebenso der Fall ist mit dem Vorherbestimmten; da die Vorherbestimmung ein „vorher“ einschließt. Christus aber war immer Gott und Sohn Gottes. Also wird nicht im eigentlichen Sinne gesagt, daß jener Mensch gemacht worden ist: Sohn Gottes. Also darf Er auch nicht als vorherbestimmt bezeichnet werden. Auf der anderen Seite heißt es Röm. 1.: „Der da vorherbestimmt ist Sohn Gottes in der Kraft.“
b) Ich antworte, die Vorherbestimmung sei eine gewisse Vorherordnung von Ewigkeit her rücksichtlich dessen, was in der Zeit vermittelst der Gnade zu geschehen hat. Es ist aber dies geschehen durch die Gnade der Einigung von seiten Gottes, daß der Mensch Gott wäre und Gott Mensch wäre. Es kann auch nicht gesagt werden, daß Gott nicht von Ewigkeit vorherbestimmt habe, Er werde dies thun; sonst würde der göttlichen Vernunft etwas Neues begegnen. Also die Einigung selbst der beiden Naturen fällt unter die ewige Vorherbestimmung; und auf Grund dessen wird Christus als vorherbestimmt bezeichnet.
c) I. Der Apostel spricht da von unserer Vorherbestimmung, kraft deren wir von Gott an Kindesstatt angenommen wrrden. II. Nach Augustin (de praed. Sanctor. 15.) sagten einige, die Vorherbestimmung Christi (Röm. 1.) richte sich auf die Natur und nicht auf die Person; der menschlichen Natur nämlich sei diese Gnade geworden, daß sie vereint würde mit dem Sohne Gottes in der Person. Aber dann wäre die Redeweise des Apostels eine uneigentliche, aus zwei Gründen: 1. weil im allgemeinen nicht die Natur vorherbestimmt wird, sondern die Person; denn vorherbestimmt werden heißt hingelenkt werden zum Heile, das Heil aber erlangt jemand nur durch seine Thätigkeiten und diese sind eigen der handelnden Person; — 2. weil im besonderen dem Sohne Gottes es nicht zukommt, die menschliche Natur zu sein. Denn falsch ist, daß die menschliche Natur der Sohn Gottes sei, außer man wollte so erklären, es sei vorherbestimmt worden, daß die menschliche Natur mit dem Sohne Gottes in der Person vereint werde. Es erübrigt also, daß die Vorherbestimmung auf die Person Christi geht, nicht freilich schlechthin, sondern insoweit sie fürsichbesteht oder subsistiert in der menschlichen Natur. Bevor deshalb der Apostel gesagt hatte: „Der vorherbestimmt ist als Sohn Gottes in der Kraft“ schickte er voraus: „Der Ihm geworden war aus dem Samen Davids nach dem Fleische.“ Daraus wird ersehen, daß Christus demgemäß, daß „Er geworden ist aus dem Samen Davids nach dem Fleische,“ „vorherbestimmt ist als Sohn Gottes.“ Jener Person ist es nämlich zwar natürlich, in Sich schlechthin genommen, Sohn Gottes zu sein in der Kraft; es ist dies ihr aber nicht natürlich gemäß der menschlichen Natur, gemäß welcher es Christo zukommt kraft der Gnade der Einigung. III. Origenes läßt in Röm. 1. das „prae“ aus und liest: „Der da bestimmt ist als Sohn Gottes;“ und dann besteht da keine Schwierigkeit. Andere beziehen das „vorherbestimmt“ nicht auf das „Sein des Sohnes Gottes“, sondern auf das Offenbarwerden desselben; wie die Schrift zu sprechen pfiegt, wonach dann die Dinge geschehen, wann sie bekannt werden; danach wäre der Sinn: „Es ist vorherbestimmt worden, daß Er als Sohn Gottes offenbar werden soll.“ Aber dies wäre dann keine Rede, die im eigentlichen Sinne zu nehmen wäre. Denn „vorherbestimmt werden“, heißt „zur Seligkeit hingelenkt werden“; — nicht aber besteht darin die Seligkeit Christi, daß Er uns bekannt sei. Es wird deshalb besser gesagt, diese Partikel „prae“ oder „vorherbestimmt, beziehe sich nicht auf die Person schlechthin, sondern mit Rücksicht auf die menschliche Natur; weil nämlich diese Person zwar von Ewigkeit Sohn Gottes war, aber nicht von Ewigkeit subsistierte in der menschlichen Natur. Deshalb sagt Augustin (l. c.): „Vorherbestimmt ward Jesus, damit Er, der da nach dem Fleische Sohn Davids sein sollte, in der Kraft sei der Sohn Gottes. Dabei ist zu bemerken, daß „Werden“ sich auf die Sache selbst bezieht, soweit sie in sich ist; vorherbestimmt werden aber auf jemanden, gemäß dem daß er ist in der Auffassung eines vorherordnenden. Was aber der Sache selber nach einer Natur oder einer Form untersteht, das kann aufgefaßt werden entweder insoweit es steht unter jener Form oder Natur; und ebenso kann es schlechthin, an sich, aufgefaßt werden. Und weil dem Sohne Gottes schlechthin es nicht zukommt, vorherbestimmt zu werden; dies Ihm aber wohl zukommt, soweit Er aufgefaßt wird als existierend inder menschlichen Natur; deshalb ist mehr wahr der Satz: „Christus ist vorherbestimmt als Sohn Gottes,“ wie dieser andere Satz: „Christus ist geworden Sohn Gottes.
