Zweiter Artikel. Die Anbetung oder Verehrung der heiligen Menschheit Christi.
a) Der heiligen Menschheit Christi gebührt nicht jene Anbetung, die man Gott spendet. Denn: I. Zu Ps. 98. (Adorate) sagt die Glosse: „Das Fleisch Christi wird von uns ohne Gottlosigkeit angebetet, weil niemand geistigerweise dieses Fleisch ißt, ehe er es nicht zuerst anbetet; — ich meine nicht jene Anbetung, die Gott allein gespendet wird als dem alleinigen Schöpfer.“ Also darf man die menschliche Natur Christi nicht wie Gott den Herrn anbeten. II. Die Anbetung gebührt keiner Kreatur; denn deshalb werden Röm. 1. die Heiden getadelt, daß „sie dienten und Ehre erwiesen der Kreatur.“ Die menschliche Natur in Christo aber ist eine Kreatur. III. Gott als der Herr von Allem wird allein angebetet, nach Deut. 1.: „Den Herrn, deinen Gott, sollst du anbeten und Ihm allein dienen.“ Christus aber als Mensch ist minder wie der Vater. Also. Auf der anderen Seite schreibt Damascenus (4. de orth. fide 3.): „Es wird aber angebetet das Fleisch Christi, nachdem Gott, das Wort, für uns fleischgeworden; nicht wegen seiner selbst, sondern weil es, dieses Fleisch, eins ward in der Person mit dem Worte.“ Und zu Ps. 98. (Adorate scabellum) erklärt Augustin: „Wer Christi Körper anbetet, möge nicht das Irdische ansehen, sondern jenen vielmehr, dessen Fußschemel die Erde ist; um Ihn zu ehren betet er an den Fußschemel.“ Das fleischgewordene Wort aber wird angebetet wie Gott der Herr. Also gebührt dem Fleische oder der menschlichen Natur in Christo göttliche Ehre.
b) Ich antworte; die Ehre werde dem Fürsichbestehenden oder der Person gezollt; die Ursache der Ehrenbezeigung aber kann etwas sein, was nicht fürsichbesteht. Wird also das Fleisch Christi geehrt als das, was außen fürsichbesteht, so ist dies nichts Anderes als Ehre erweisen dem fleischgewordenen Worte; wie das Bild des Königs ehren nichts Anderes ist wie dem Könige Ehre erweisen; — und danach gebührt der menschlichen Natur in Christo die göttliche Anbetung. Wird aber die heilige Menschheit Christi geehrt auf Grund dieser Menschheit, weil sie nämlich voll ist aller Gaben und Gnaden; — so ist dies als keine göttliche Ehrenerweisung zu betrachten. Danach ist die eine und selbige Person Christi zu verehren 1. mit göttlicher Anbetung wegen der Gottheit in ihr; — und 2. mit Verehrung, wie sie einem vollkommenen Geschöpfe gebührt auf Grund der in Allem vollendeten Menschheit in ihr; mit latria und dulia. Und dies ist keineswegs unzulässig. Denn dem Vater gebührt göttliche Anbetung wegen der Gottheit; es gebührt Ihm sonstige Verehrung, wie sie einem Herrn und Gebieter entgegengetragen wird, wegen seiner Herrschaft über die Kreaturen. Deshalb sagt die Glosse zu Psalm 7. (Domino, Deus meus): „Er ist der Herr von Allem, Ihm gebührt Dienst und Verehrung (dulia); Er hat Alles geschaffen, Ihm gebührt Anbetung.“
c) I. Die Glosse will nicht sagen, daß das Fleisch Christi getrennt von der Gottheit verehrt werden solle; das würde zwei Personen in Christo voraussetzen. Jedoch „wenn du mit durchdringendem Verständnisse trennst was geschaut wird von dem was nicht gesehen wird, so ist das Fleisch als geschaffen nicht anzubeten,“ sagt Damascenus (l.
c). So aufgefaßt also, getrennt vom Worte Gottes, würde dem Fleische gebühren die Verehrung der dulia und nicht die Gott dargebrachte Anbetung; nur würde diese Verehrung wegen der Fülle der Gnadengaben in der heiligen Menschheit eine höhere sein wie die anderen geschaffenen Wesen gespendete, eine hyperdulia, wie man sagt. II. und III. Göttliche Anbetung wird der heiligen Menschheit in Christo nicht erwiesen auf Grund ihrer selbst; sondern wegen der persönlichen Einheit mit dem „Worte“.
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