Erster Artikel. Christus ward nicht von Sich selbst getötet.
a) Das Gegenteil ist zu behaupten. Denn: I. Joh. 10. sagt Er selbst: „Niemand nimmt meine Seele von mir, wenn ich sie nicht selber einsetze.“ II. Wer von anderen getötet wird, der stirbt nach und nach an Schwächung der Natur; und zumal „die gekreuzigten werden durch einen langsamen Tod gequält,“ nach Aug. 4. de Trin. 13. „Christus aber rief laut und gab dann den Geist auf.“ Seine Natur war also nicht geschwächt; sondern Er starb von Sich aus. III. Wer durch einen anderen stirbt, der stirbt gewaltsam. Christus „aber starb freiwillig; „wann Er wollte, wie Er wollte und weil Er wollte,“ sagt Augustin (l. c.). Auf der anderen Seite sagt der Herr von Sich selber (Luk. 18.): „Und nachdem sie den Menschensohn werden gegeißelt haben, werden sie Ihn töten.“
b) Ich antworte, es kann etwas Ursache von einer Wirkung sein 1. direkt, durch eigenes Einwirken; und so haben die Verfolger Christi Ihn getötet, mit der Absicht, Ihn zu töten, mit dem Ergebnisse des Todes und indem sie eine hinreichende Ursache seines Todes setzten; 2. indirekt, wenn nämlich jemand nicht die Wirkung hindert, trotzdem Er sie hindern könnte; wie man sagt, es habe einer den anderen durchnäßt, weil er nicht das Fenster geschlossen hat, wodurch der Regen hineinströmte; und so war Christus selber Ursache seines Todes. Denn Er konnte die Gegner
a) hindern, daß sie Ihn nicht wollten oder nicht könnten töten;
b) konnte sein Geist den Körper in seiner Natur bewahren, daß derselbe keinem verderblichen Einflüsse unterliege. Diese Gewalt hatte Christi Seele infolge ihrer Verbindung mit dem Worte (Aug. 4. de Trin. 19.). Weil also seine Seele das beigebrachte Verderben vom Körper nicht fernhielt, sondern wollte, daß die Natur des Körpers dem schädigenden Einflusse unterliege; danach wird gesagt, Er habe seine Seele eingesetzt, sei freiwillig gestorben
c) I. „Niemand wird meine Seele von mir nehmen;“ nämlich wenn ich nicht will. Denn Jenes nimmt man recht eigentlich, was man gegen den Willen dessen, der es hat, entfernt. II. Damit Christus zeige, seine Seele habe ihre Kraft bewahrt mit Rücksicht auf das Leben des Körpers, rief Er, selbst im letzten Augenblicke, mit lauter Stimme; dadurch zählte sein Tod zu seinen anderen Wundern. Deshalb sagte der Hauptmann, „als er sah, daß der Herr, so rufend, gestorben sei: Wahrhaft der Sohn Gottes war dieser“ (Mark. 15.). Auch dies war wunderbar bei diesem Tode, daß Er in kürzerer Zeit gestorben ist wie die anderen zwei. Deshalb heißt es Joh. 19.: „Sie brachen die Kniee der anderen, die mit Ihm gekreuzigt worden waren,“ damit sie schneller stürben; „die Kniee Jesu aber brachen sie nicht, weil sie sahen, Er sei schon gestorben.“ Und: „Pilatus staunte, daß Er schon gestorben sei.“ Wie nämlich durch seinen Willen die körperliche Natur in ihrer Kraft bewahrt worden ist bis zum letzten Augenblicke; so hörte auch diese natürliche Kraft des Körpers auf, als Christus wollte. III. Zugleich wurde an Christo Gewalt geübt, daß Er stürbe; und trotzdem starb Er freiwillig. Denn diese Gewalt überragte die Kraft in seinem Körper, sobald Er wollte.
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