Vierter Artikel Zulässigerweise litt Christus von den Heiden.
a) Dem wird widersprochen. Denn: I. Da durch den Tod Christi die Menschen von der Sünde befreit werden sollten, so hätten dabei so wenige wie möglich sündigen müssen. Es sündigten aber in seinem Tode die Juden, in deren Person es heißt (Matth. 21.): „Kommt, laßt uns Ihn töten, Er ist der Erbe.“ Also durften die Heiden in seinem Tode nicht sündigen.II. Die Wahrheit muß der Figur entsprechen. Nur die Opfer bei den Juden aber waren Figuren des Kreuzesopfers. Also durfte letzteres nicht vollendet werden durch die Heiden.III. Nach Joh. 5. suchten die Juden den Heiland zu töten, weil Er den Sabbath nicht hielt und weil Er Gott als seinen Vater bezeichnete; also weil Er Sich zu Gott machte. Das Alles aber scheinen nur Sünden gegen das Gesetz der Juden zu sein, so daß diese selber sagten (Joh. 19.): „Nach unserem Gesetze muß Er sterben.“ Also durfte der Herr nicht von Heiden getötet werden; und falsch war, was die Juden sagten: „Uns ist nicht gestattet, jemanden zu töten,“ da sie nach dem Gesetze (Lev. 20.) viele Sünden mit dem Tode strafen konnten. Auf der anderen Seite heißt es Matth. 20.: „Sie werden den Menschensohn den Heiden übergeben, daß diese Ihn verspotten, geißeln und kreuzigen.“
b) Ich antworte, in der Art und Weise selber des Leidens sei vorgesinnbildet die Wirkung desselben. Denn zuerst hatte das Leiden des Herrn seine Wirkung bei den Juden, deren viele (Act. 2 et 3.) in seinem Tode getauft worden sind; — und 2. ging durch die Predigt von Juden die Heilswirkungdes Leidens von den Juden über zu den Heiden. Und demgemäß hat Christus angefangen, von den Juden zu leiden; und die Juden übergaben Ihn den Heiden, daß durch deren Hände sein Leiden beendigt werde,
c) I. Damit Christus das Überfließen seiner Liebe zeige, kraft deren Er litt, hat Er, ans Kreuz geheftet, Verzeihung erbeten für seine Peiniger. Damit also die Frucht dieser Bitte auf beide Seiten sich erstrecke, wollte Er unter den Händen von Juden und Heiden leiden.II. Ein Opfer war das Leiden des Herrn, insoweit Er freiwillig aus heiliger Liebe den Tod erlitt. Insoweit Er unter den Peinigern litt, war es von diesen aus kein Opfer, sondern die schwerste Sünde.III. Nach Augustin (114. in Joan.) sagten die Juden „wegen der Größe des Festtages, dessen Feier bereits begonnen hatte,“ daß sie niemanden töten durften. Nach Chrysostomus (82. in Joan.) aber „wollten sie, daß Christus nicht als Gesetzesübertreter, sondern als Feind des Gemeinwesens verurteilt werde, weil Er sich zum Könige gemacht hätte; und darüber hatten sie nicht zu urteilen.“ Oder die Juden durften nicht kreuzigen wie sie wollten; sondern nur steinigen, wie sie bei Stephanus thaten. Oder besser, es war ihnen durch die Römer die Macht genommen, zu töten.
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