Vierter Artikel. Christus erschien den Jüngern in einer anderen Gestalt.
a) Dies hätte nicht stattfinden sollen. Denn: I. Christus hatte nur eine Gestalt. Erschien Er also in einer anderen, so war dies keine Erscheinung gemäß der Wahrheit, sondern eine Verstellung. „Wenn aber Christus täuscht, so ist Er nicht die Wahrheit; Er ist jedoch die Wahrheit.“ Also durfte Er nicht in einer fremden Gestalt erscheinen. II. Wer in einer anderen Gestalt erscheint als Er thatsächlich hat, thut dies durch magisches Einwirken auf das Auge der schauenden. Ein solches Einwirken aber kommt Christo nicht zu, nach 2. Kor. 6.: „Welche Gemeinschaft zwischen Christus und Belial?“ III. Durch die Erscheinungen des Herrn sind die Jünger gefestigt worden im Glauben an die Auferstehung, wie wir durch die heilige Schrift befestigt werden im Glauben. „Geht aber nur eine einzige Lüge von der Schrift aus, so verliert ihren Wert die ganze Schrift,“ schreibt Augustin an Hieronymus (ep. 8.). Erschien also nur in einer einzigen Erscheinung Christus den Jüngern anders wie Er war, so war es um die Festigkeit ihres Glaubens an die Auferstehung geschehen; was unzulässig ist. Auf der anderen Seite wird Mark. ult. gesagt: Denen, die nach Emmaus gingen, erschien Er in einer anderen Gestalt.“
b) Ich antworte, die Auferstehung sei den Jüngern kundgethan worden in der Weise, wie göttliche Dinge geoffenbart werden. Göttliche Dinge aber werden den Menschen bekannt je nach der inneren Verfassung der Menschen. Jene nämlich, die ihren Geist in guter Verfassung haben, nehmen das Göttliche wahr gemäß der ihm innewohnenden wirklichen Wahrheit; während der nicht in guter Verfassung befindliche Geist es aufnimmt mit gewissen Zweifeln und Bedenken, nach 1. Kor. 2.: „Der sinnliche Mensch erfaßt nicht das, was dem Geiste Gottes angehört.“ Jenen also, die zum Glauben den reinen aufrichtigen Willen hatten, erschien Christus in seiner wahren Gestalt; denen aber, die im Glauben anfingen lau zu werden, in einer fremden, wie Luk. ult. die beiden Jünger sagten: „Wir aber hofften, Er werde erlösen Israel.“ Deshalb sagt Gregor der Große (hom. 23. in Evgl.): „So erschien Er ihnen außen, wie Er bei ihnen innerlich war im Geiste. Er war ihrem Geiste im Innern noch fremd mit Rücksicht auf denGlauben. Also erschien Er ihnen in einer fremden Gestalt und stellte sich als wollte Er (wie ein fremder) weiter gehen.“
c) I. Augustin (2 Q. ev. ult.) sagt: „Nicht Alles was wir bildlich sagen ist Lüge. Wenn wir aber etwas bildlich ausdrücken, was nichts bezeichnet, dies ist eine Lüge. Wird unser Bild auf etwas bezogen, so ist es eine Figur der Wahrheit. Sonst würde Alles gegen die Wahrheit sein, was vom Herrn oder von weisen oder heiligen Männern bildlich oder figürlich, in Fabeln oder Gleichnissen gesagt worden ist; denn solche Erzählungen sind dem Wortlaute nach nicht wahr. Wie aber Worte, so können auch Thaten Bilder für etwas Anderes sein.“ Und so war es hier. II. Nach Augustin (3. de cons. EvgI. 25.) „konnte der Herr seinem Fleische nach der Auferstehung eine andere Gestalt geben, wie es jene war, welche sie gewöhnlich anschauten; ist Er ja auch noch vor dem Tode auf dem Berge verklärt worden, so daß Er glänzte wie die Sonne. So aber war es hier nicht. Wir nehmen nicht ohne Grund an, daß das Hindernis in ihren Augen vom Teufel gemacht worden, damit sie Jesum nicht erkannten. Denn es heißt da: „Ihre Augen wurden gehindert, daß sie Ihn nicht erkannten.“ III. Vom Anblicke der fremden Gestalt sind sie ja hinübergeleitet worden zum Schauen der wahrhaftigen Gestalt Christi. „Ihre Augen wurden in dieser Weise gehindert,“ so Augustin (l. c.), „bis zum Brotbrechen; damit, nachdem sie an der Einheit seines Körpers teilgenommen, das vom Feinde herrührende Hindernis entfernt werde. Sie wandelten vorher nicht mit geschlossenen Augen, so daß sie hier erst geöffnet worden wären; aber es war in den Augen etwas, was den Herrn sie nicht erkennen ließ,“ wie zu große Wärme oder sonst ein humor.
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