Erster Artikel. Der auferstandene Christus mußte nicht allen erscheinen.
a) Dies mußte Er. Denn: I. Wie der öffentlichen Sünde öffentliche Buße gebührt (1. Tim. 5, 20.), so dem öffentlichen Verdienste ein öffentlicher Lohn. Nun hat Christus vor allen gelitten und „die Herrlichkeit der Auferstehung ist der Lohn für die Demut des Leidens“ (Aug. tract. 104. in Joan.). Also mußte Christus nach der Auferstehung sich öffentlich zeigen. II. Die Auferstehung wie das Leiden dient unserem Heile (Röm. 4, 25.). Was aber dem allgemeinen Besten dient, muß allen bekannt werden. III. Jene, denen die Auferstehung bekannt wurde, werden die Zeugen derselben genannt, nach Act. 3.: „Den da Gott von den toten auferweckt hat, wovon wir Zeugen sind.“ Dieses Zeugnis aber geben sie ab durch die Predigt. Also mußte die Auferstehung nicht Weibern bekannt werden, von denen gesagt ist: „Die Weiber sollen schweigen in der Kirche“ (1. Kor. 14.) und: „Dem Weibe gestatte ich nicht, daß sie lehre“ (1. Tim. 2.). Auf der anderen Seite heißt es Act. 10.: „Den da Gott von den toten erweckt hat und der offenbar geworden ist; nicht vor allem Volke, sondern vor den von Gott vorherbestimmten Zeugen.“
b) Ich antworte; Manches werde gekannt auf Grund der gemeinsamen Natur und Anderes auf Grund specieller Gnadengaben. Bei Letzterem herrscht nun dieses Gesetz, wie Dionysius sagt (4. de coel. hier.): „Dies ist das von Gott stammende Gesetz, daß Gott unmittelbar den höheren Wesen etwas offenbart und daß durch deren Vermittlung es den niedriger stehenden Wesen offenbar wird.“ Was aber sich auf die ewige Herrlichkeit bezieht, das übersteigt die allen zugängliche Kenntnis, nach Isai. 64.: „Kein Auge hat es gesehen, Gott, ohne Dich, was Du bereitet hast denen, die auf Dich warten.“ Es bedarf dies also der Offenbarung von Gott her, nach 1. Kor. 2.: „Uns hat es Gott geoffenbart durch seinen Geist.“ Weil sonach Christus durch die Auferstehung zur Herrlichkeit erstanden ist; deshalb ist die Auferstehung nicht dem ganzen Volke offenbar geworden, sondern einigen, durch deren Zeugnis sie sollte zur Kenntnis der anderen kommen.
c) I. Das Leiden Christi vollzog sich im leidensfähigen Körper, welcher von Natur der Kenntnis aller zugänglich ist; weshalb dasselbe unmittelbar vor dem ganzen Volke geschehen konnte. Die Auferstehung aber vollzog sich „durch die Herrlichkeit des Vaters“ (Röm. 6.) und deshalb ward sie nur einigen bekannt gegeben. Daß aber öffentlichen Sünden öffentliche Buße gebührt, gilt von den Strafen des gegenwärtigen Lebens; und ähnlich werden öffentliche Verdienste öffentlich belohnt, um andere anzuspornen. DieStrafen und Belohnungen des künftigen Lebens jedoch sind nicht allen bekannt; sondern werden im besonderen offenbar gemacht denen, die von Gott dazu vorherbestimmt sind. II. Die Auferstehung Christi kam, weil allen heilsam, auch zu aller Kenntnis: aber vermittelst der bestimmten Zeugen. III. Die Frau kann immerhin im häuslichen Verkehr belehren, wenn auch nicht öffentlich. Deshalb „wird zu den vertrauten eine Frau gesandt“, sagt Ambrosius (sup. Luc. 24.); nicht aber, um öffentlich über die Auferstehung zu predigen. Darum erschien der Herr zuerst einer Frau, damit, wie eine Frau zuerst die Botschaft des Todes brachte, so auch eine Frau zuerst das Leben des Auferstandenen ankündige: „Das weibliche Geschlecht hat somit erlangt Lossprechung von der Schande, Befreiung vom Fluche,“ sagt Cyrillus (12. in Joan. 20.). Dadurch wird zugleich gezeigt, daß mit Rücksicht auf die Herrlichkeit das weibliche Geschlecht nicht zurückstehe, sondern nach dem Maße der heiligen Liebe auch höhere Ehre genieße. Denn die Frauen, die den Herrn bis zu dem Grade geliebt hatten, daß sie, als die Jünger das Grab verließen, von demselben nicht getrennt bleiben wollten, sahen auch zuerst die Herrlichkeit des Auferstandenen.
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