Fünfter Artikel. Die Einsetzung der Εucharistie.
a) Die Einsetzung dieses Sakramentes war nicht zukömmlich. Denn: I. Aristoteles sagt (2. de Gener.): „Durch dasselbe werden wir genährt, woraus wir bestehen.“ Nun erhalten wir das geistige Sein durch die Taufe. Also werden wir auch genährt durch die Taufe; und war es unnötig, dieses Sakrament als geistige Nahrung einzusetzen. II. Durch dieses Sakrament werden die Menschen mit Christo vereint wie die Glieder mit ihrem Haupte. Christus aber ist das Haupt aller, die vom Anfange der Welt an lebten (Kap. 8.). Also durfte die Einsetzung dieses Sakramentes nicht verschoben werden bis zum Gründonnerstage. III. Dieses Sakrament ist das Andenken an das Leiden des Herrn, nach Luk. 22.: „Thut dies zu meinem Andenken.“ Also durfte es nicht vor dem Leiden eingesetzt werden, da ein Andenken immer auf etwas Vergangenes geht. IV. Durch die Taufe wird jemand in Beziehung gesetzt zur Eucharistie, die nur den getauften gegeben werden darf. Die Taufe aber ward nach dem Leiden des Herrn eingesetzt. Also durfte die Eucharistie nicht vorher eingesetzt werden. Auf der anderen Seite ist von Christus dieses Sakrament eingesetzt, „der Alles wohlgethan hat“ (Mark. 7.).
b) Ich antworte; zukömmlicherweise ward dieses Sakrament eingesetzt, als Christus das Abendmahl hielt mit seinen Jüngern am Tage vor seinem Leiden. Denn 1. ist Christus selber in diesem Sakramente enthalten. Als Er deshalb fortgehen wollte von seinen Jüngern, soweit es auf die eigene menschliche Gestalt ankommt, ließ Er Sich selbst zurück unter den sakramentalen Gestalten; wie in der Abwesenheit des Königs dessen Bild hingestellt wird, damit man es verehre. Deshalb sagt Eusebius Emissenus (hom. 5. in Pascha): „Weil Er den von Ihm angenommenen Körper ihren Augen entziehen wollte, war es notwendig, daß Er beim letzten Abendmahle sein Fleisch und sein Blut für uns konsekrierte, damit fortwährend im Mysterium verehrt werde, was Er ein einziges Mal darbrachte als Erlösungspreis.“ 2. Ohne den Glauben an das Leiden Christi konnte niemals das Heil gefunden werden, nach Röm. 3.: „Ihn hat Gott als Sühner hingestellt durch den Glauben in seinem Blute.“ Deshalb mußten die Menschen zu aller Zeit etwas haben, was ihnen das Leiden des Erlösers ins Gedächtnis zurückrief. Im Alten Bunde war dies vorzugsweise das Osterlamm; weshalb 1. Kor. 5. es heißt: „Unser Osterlamm Christus ist geopfert.“ Im Neuen Bunde trat an dessen Stelle die Eucharistie. Deshalb sagt Leo der Große (serm. 7. de pass. dom.): „Damit der Schatten Platz mache dem Körper, wird der alte Brauch ersetzt durch das neue Sakrament; die eine Opfergabe geht über in die andere; durch Blut wird Blut entfernt; und während die Feierlichkeit, wie sie im Gesetze eingesetzt worden, ihre Erfüllung findet, wird sie in eine andere umgewandelt.“ 3. Was in den letzten Augenblicken des Lebens gesagt wird, das wird von den Freunden mehr im Gedächtnisse festgehalten, zumal da in höherem Grade entzündet wird die Freundesliebe. Weil also, wie Papst Alexander sagt (ep. ad omnes orthod. c. 4.), „nichts unter den Opfern größer sein kann wie der Leib und das Blut Christi und keine dargebrachte Gabe dieser voransteht;“ deshalb hat der Herr, damit es höher geehrt werde, bei seinem Fortgehen von den Jüngern dieses Sakrament eingesetzt. Und darum sagt Augustin (ep. 5. ad Januar.): „Damit der Heiland um so tiefer empfehle die Erhabenheit dieses Geheimnisses, wollte Er dasselbe wie das letzte Andenken an Ihn, als Er seine Jünger verließ, um sich den Verfolgern zu übergeben, tiefer in ihre Herzen und in ihr Gedächtnis einprägen.“
c) I. Wir werden durch dasselbe genährt, woraus wir sind; aber Beides tritt nicht auf die nämliche Weise in uns. Denn das, woraus wir sind, kommt in uns durch die Zeugung; dasselbe aber tritt, soweit wir daraus genährt werden, in uns durch das Essen. Wie wir also durch die Taufe wiedererzeugt werden in Christo, so werden wir durch die Eucharistie genährt in Christo. II. Die Eucharistie enthält in sich Christum selber, der für uns gelitten hat. Also konnte es nicht vor der Menschwerdung eingesetzt werden. III. Dieses Sakrament wurde beim letzten Abendmahle eingesetzt, damit es zukünftig ein Andenken an das Leiden sei; weshalb es heißt: „So oft ihr dies thun werdet.“ IV. Die Einsetzung entspricht der Ordnung im Bereiche der Absicht. Denn die Eucharistie ist wohl thatsächlich nach der Taufe, der Absicht gemäß aber vor der Taufe; und deshalb mußte sie ftüher eingesetzt werden. Oder man kann sagen; die Taufe war schon in etwa eingesetzt bei der Taufe Christi, so daß schon einige durch die Taufe Christi selber getauft waren (Joh. 3.).
