Erster Artikel. Die Umstände der menschlichen Wandlung sind von außen hinzutretende Eigenheiten, Accidentien.
a) Dementgegen scheint: I. Cicero zu sagen: „Ein Umstand ist, wodurch die Rede Autorität und Festigkeit dem Beweisgrunde hinzufügt.“ Eine Rede aber giebt dem Beweisgrunde Festigkeit zumal von dem aus, was der Substanz und dem Wesen der Sache angehört, wie dies z. B. die Begriffsbestimmung ist, die Art und die Gattung u. dgl., aus dem Allem, wie Cicero (in Topicis ad Trebat.) lehrt, ein Redner den Beweis führen muß. Also ist ein Umstand kein Accidens der menschlichen Handlung, keine von außen hinzutretende zufällige Eigenschaft, sondern gehört zu deren inneren Wesen. II. Eine solche Eigenheit hat kein selbständiges Sein, sondern ihr Sein besteht darin, daß sie in etwas ist; ihr Sein ist In-Sein. Was aber „um etwas steht“, ist vielmehr außen wie innen. III. Die menschlichen Handlungen selber sind solche Accidentien, die nicht zum Wesen des Menschen gehören. Was aber selbst Accidens ist, dem ist es nicht eigen, Träger wiederum anderer solcher Eigenheiten zu sein; eine jede derselben nämlich wird unmittelbar vom Wesen getragen. Also haben die menschlichen Handlungen keine derartigen Accidentien. Auf der anderen Seite werden die besonderen Verhältnisse eines beliebigen einzelnen Wesens „Accidentien“ genannt, insoweit sie das Wesen zu einem einzeln bestehenden machen. Aristoteles aber nennt „Umstände“ gerade die Besonderheiten, d. h. die besonderen Verhältnisse der einzelnen Handlungen. Also sind die „Umstände“ der menschüchen Handlungen nichts Anderes als jene von außen hinzutretenden Eigenschaften oder Verhältnisse, welche jede Handlung zu einer besonderen einzelnen machen.
b) Ich antworte; weil nach Aristoteles (1 Perih. 1.) die Namen, welche die Dinge bezeichnen, Zeichen sind des Verständnisses, das man von diesen Dingen hat, so muß der Art und Weise des Vorgehens der vernünftigen Erkenntnis entsprechen die Art und Weise, wie man beim Benennen vorgeht. Nun geht unsere Art und Weise zu erkennen aus von dem mehr Bekannten zum minder Bekannten hin; sonach werden auch von den mehr bekannten Dingen die Benennungen der minder bekannten hergenommen. Da her rührt es, wie Aristoteles (10 Metaph.) sagt, daß von den Ortsverhältnissen her die Benennung der Entfernung den Anlaß gab zur Bezeichnung aller Gegensätze. Und ähnlich gebrauchen wir die Namen, welche sich auf die Ortsbewegung beziehen, dazu um andere Bewegungen zu bezeichnen; denn die Körper, welche vom Orte umgrenzt werden, sind uns im höchsten Grade bekannt. Dies ist also der Grund, weshalb der Ausdruck „Umstand“ von dem Örtlichen her genommen wurde, um auf die menschlichen Handlungen angewendet zu werden. Nun wird gemäß den örtlichen Verhältnissen von etwas gesagt, „es stehe herum,“ was wohl mit Bezug auf die betreffende Sache äußerlich ist, jedoch diese selbe Sache berührt oder ihr dem Orte nach nahe steht. Welche Verhältnisse oder Eigenschaften also auch immer mit dem Wesen der menschlichen Handlung nicht gegeben sind und danach außerhalb derselben sichfinden; jedoch diese selbe Handlung einigermaßen berühren, werden „Umstände“ genannt. Nun ist aber das für die menschliche Handlung etwas Zufälliges, was außerhalb des Wesens derselben steht und doch mit zu ihr gehört. Also sind solche Umstände von außen her hinzutretende Eigenschaften, Accidentien der betreffenden Handlung.
c) I. Zuvörderst allerdings giebt die Rede dem Beweisgrunde Festigkeit von der Substanz oder dem Wesen der Handlung her; an zweiter Stelle jedoch von dem her, was um die Handlung herumsteht. So wird jemand angeklagt zuerst, weil er einen Mord verübt; an zweiter Stelle aber, weil er es hinterlistig gethan oder aus Gewinnsucht oder zu einer heiligen Zeit oder an einem heiligen Orte u. dgl. Deshalb sagt Cicero bezeichnend, die Rede „füge infolge der Umstände Festigkeit hinzu“, nämlich an zweiter Stelle. II Doppelterweise tritt etwas zu einem Wesen als zufällige Eigenschaft hinzu: einmal, weil es in ihm ist, wie das Weiße eine zufällige Eigenschaft des Sokrates ist; dann, weil es zugleich mit ihm im selben Wesen als in dem Subjekte oder im Träger ist. So wird von einem weißen Musiker gesprochen, insofern die Eigenschaften „weiß“ und „musikalisch“ sich im selben Wesen zusammentreffen. Und nach dieser letzten Weise wird von den Umständen als den zufälligen Eigenschaften, den Accidentien, des Aktes gesprochen. III. Das eben erwähnte Zusammentreffen verschiedener zufälliger Eigenschaften im selben Subjekte geschieht wieder in zweifacher Weise: einmal so, daß die betreffenden Eigenschaften kein Verhältnis untereinander haben, wie „weiß“ und „musikalisch“ mit Beziehung z. B. auf Sokrates; — dann in der Weise, daß die eine dieser Eigenschaften auf Grund der anderen da ist, wie z. B. der Körper die Farbe empfängt vermittelst seiner Oberfläche; und nach der letztgenannten Weise sagen wir, eine zufällige Eigenschaft, ein Accidens, sei in dem anderen, wie z. B. die Farbe ist in der Oberfläche. Nach beiden Seiten nun hin verhalten sich die Umstände zu den menschlichen Handlungen. Denn manche Umstände, die zum Akte Beziehung haben, gehören zum Handelnden nicht vermittelst des Aktes, wie der Ort und die Seinsweise des Handelnden oder sein Charakter etc.; andere Umstände aber gehören zum Handelnden vermittelst des Aktes, wie die Beschaffenheit des Aktes selber.
