1.
Wenn ich euch erklären soll, was innerliches Gebet ist, so wisset, meine Töchter: Das Wesen des innerlichen Gebetes besteht nicht im Schließen des Mundes (allein). Wenn ich beim Aussprechen der Worte mit ganzem Gemüte aufmerke und bedenke, daß ich mit Gott rede und eben darauf mehr achte als auf die Worte selbst, die ich spreche, so bete ich mündlich und innerlich zugleich. Sagt man euch aber, daß ihr mit Gott redet, wenn ihr das Vaterunser betet, und dabei an die Welt denkt, so will ich darüber nur schweigen. Wenn ihr mit Gott reden wollt, so müßt ihr auch so mit ihm sprechen, wie es sich einem so großen Herrn gegenüber geziemt; und da sollt ihr billigerweise bedenken, wer der ist, mit dem ihr redet, und wer ihr seid, damit ihr wenigstens mit Anstand redet. Wie könntet ihr wohl dem König die ihm gebührenden Titel geben, oder wie könntet ihr wissen, welches Zeremoniell ihr bei euerer Anrede einem großen Herrn gegenüber beobachten müßt, wenn ihr weder seinen noch eueren Stand recht kennt? Dem Stande und der Sitte gemäß muß doch auch die Ehrenbezeigung sein. Dies alles müßt ihr kennen, wenn ihr nicht als ungebildete Menschen unverrichtetersache wieder fortgejagt werden wollt. Aber du, mein Herr und Gebieter, welches Benehmen gegen dich erträgst du nicht? Du, mein Gott, bist ein König, der ewig herrscht; denn dein Reich ist kein Lehenreich.
