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Es ist wunderbar, wie leidenschaftlich diese Liebe ist. Wie viele Tränen, Bußübungen und Gebete läßt sie sich kosten! Mit welcher Sorge empfiehlt sie die geliebte Seele dem Gebete aller, von denen sie glaubt, sie könnten ihr bei Gott nützlich sein! Wie brennend ist das Verlangen nach ihrem geistigen Fortschritt, das sie beständig in sich trägt! Sie gibt sich nicht zufrieden, bis sie diesen an ihr wahrnimmt. Sieht sie aber diese in etwa zurückschreiten, nachdem sie deren Fortschritt vermutet hatte, so glaubt sie in ihrem Leben keine Freude mehr haben zu können. Sie ißt nicht und schläft nicht ohne Sorge und ist in beständiger Furcht, die von ihr so sehr geliebte Seele könnte verlorengehen und also für immer von ihr getrennt werden. Ihren zeitlichen Tod achtet sie für nichts; denn sie will sich nicht an etwas hängen, das ihr von einem Lufthauch aus der Hand geweht wird, ohne daß sie es festzuhalten vermag. Es ist dies eine Liebe, die, wie gesagt, weder im Großen noch im Kleinen ihr eigenes Interesse sucht; all ihr Verlangen und Wünschen zielt vielmehr dahin, die geliebte Seele reich zu sehen an himmlischen Gütern. Ja, das ist Liebe, nicht aber jene erbärmlichen irdischen Zuneigungen; von der sündhaften Liebe aber, vor der uns Gott bewahre, wollen wir gar nicht reden.
