6.
Bedeutet wohl, wie wichtig dieser Rat ist, um mit den Leiden des Nächsten, wie klein sie auch seien, Mitleid zu haben! Dies mögen sich besonders die obenerwähnten Seelen gesagt sein lassen. Da diese in ihrem Verlangen nach Leiden alles Widrige geringachten, so ist es ihnen sehr notwendig, daß sie achthaben, sich der Zeit zu erinnern, in der sie noch schwach waren; sie sollen bedenken, daß es nicht an ihnen gelegen ist, wenn sie nicht mehr schwach sind. Sonst könnte der böse Feind die Liebe zum Nächsten allmählich erkalten lassen und uns zu der Meinung verleiten, es sei etwas Vollkommenheit, was im Gegenteil ein Fehler wäre. Der Teufel schläft nicht; darum müssen wir in allem achthaben und wachsam sein. Am meisten aber müssen es jene sein, die in der Vollkommenheit schon weiter vorangeschritten sind; denn bei diesen sind die Versuchungen weit versteckter, da sie der böse Feind in anderer Weise nicht anzugreifen wagt; wenn sie also, wie gesagt, nicht achtgeben, so bemerken sie den Schaden erst, wenn er geschehen ist. Kurz, man muß beständig wachen und beten; es gibt ja kein besseres Mittel als das Gebet, um die geheimen Nachstellungen des Teufels zu entdecken und ihn zu nötigen, daß er sich verrate.
