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Als auch dieser Versuch vergeblich war — als nämlich der Selige die Versprechungen hörte, lachte er über die Torheit des Präfekten und frug ihn, ob er denn S. 428 wohl glaube, ihm etwas geben zu können, was dem Himmelreich vergleichbar wäre —, da kannte sein Zorn keine Grenzen mehr; er zog das Schwert, ließ den Henker neben sich treten und befleckte Hand und Zunge mit Mord, indem er den Seligen zum Tode verurteilte. Jetzt strömte das ganze Theaterpublikum an diesen Ort, und auch alle andern Bewohner, die noch in der Stadt zurückgeblieben waren, eilten vor das Stadttor hinaus, um jenes große Kampfspiel zu schauen, das wunderbar für die Engel und die ganze Schöpfung, traurig aber für die Teufel und schrecklich für die Dämonen. Die Stadt wurde menschenleer, da die Menge einem Strome gleich auf diesen Platz hinausflutete. Kein Weib, das bei diesem Schauspiel fehlen wollte, kein Mann, ob unscheinbar oder hochgestellt. Die Haushüter verließen ihren Posten; die Läden der Kaufleute blieben ungeschlossen; die Waren ließ man auf dem Marktplatze zerstreut liegen; die einzige Wache und Sicherheit für alles bestand darin, daß alle Bewohner zugleich hinauseilten und auch nicht ein Bösewicht in der Stadt zurückblieb. Sklaven liefen ihrer Herrschaft von der Arbeit weg; alles fremde und einheimische Volk fand sich hier ein, den Mann zu sehen. Sogar die Jungfrau wagte sich dem Blicke der Männer auszusetzen; Greise und Kranke überwanden ihre Schwäche und fanden sich außerhalb der Mauern ein. Schon umstanden die Freunde den Seligen, der durch den Tod zum Leben eilen wollte, schon umarmten sie ihn unter Tränen, sagten ihm das letzte Lebewohl und baten ihn unter heißen Tränen, er möchte doch nicht sich selbst dem Feuer übergeben, nicht seine Jugend opfern, nicht diese liebliche Sonne verlassen. Andere suchten ihn anders umzustimmen und rieten ihm: „Sprich nur mit dem Munde die Verleugnung aus, mit dem Herzen halt am Glauben fest, wie du willst. Gott sieht ja keineswegs auf die Zunge, sondern auf das Herz des Redenden. So kannst du den Richter besänftigen und Gott versöhnen.“
