8.
S. 442 Als sie bei Tagesanbruch noch atmeten, wurden sie dem Feuer übergeben; und was das Feuer übrig ließ, wurde in den Fluß geworfen, so daß der Kampf der Seligen die ganze Schöpfung durchging: Sie kämpften auf der Erde, hielten standhaft aus in der Luft, wurden dem Feuer übergeben, und das Wasser nahm sie auf. Auf sie paßt also das Wort: „Wir gingen durch Feuer und Wasser, du aber führtest uns heraus zur Erquickung1.“
Diese Vierzig sind es, die unser Land innehaben und wie dichtgedrängte Türme gegen den Angriff der Feinde sicheren Schutz gewähren. Sie beschränken sich nicht auf einen Ort, sondern sind bereits an vielen Orten gastlich geworden und zieren die Heimat von vielen. Und das Wunderbare ist: Nicht vereinzelt kehren sie bei denen ein, die sie aufnehmen, sondern in gegenseitiger, innigster Gemeinschaft führen sie den festlichen Reigen auf. O Wunder! Sie nehmen an Zahl nicht ab noch zu. Du magst sie in Hundert teilen, sie gehen über die bestimmte Zahl nicht hinaus; du magst sie in eins zusammenziehen, auch so bleiben vierzig — ganz nach Art des Feuers, das zu dem übergeht, der es anzündet, und doch ganz bei dem bleibt, der es hat. So sind also auch die Vierzig alle beisammen und wieder alle bei jedem: Der reichliche Segen, die unerschöpfliche Gnade, die Hilfe der Christen, eine Gemeinde von Märtyrern, ein Heer von Triumphierenden, ein Chor von Betern2. Wie hättest du dich bemüht, um nur einen zu finden, der für dich den Herrn versöhnte! Nun sind es vierzig, die ihr einmütiges Gebet emporsenden. Wo zwei oder drei im Namen des Herrn versammelt sind, da ist er mitten unter ihnen3. Wo aber vierzig sind, wer wird da an der Gegenwart Gottes zweifeln? Der Bedrängte flieht zu den vierzig Märtyrern, der Fröhliche geht zu ihnen, der erste, um Befreiung von seinem Leiden zu finden, letzterer, damit ihm sein Glück bleibe. Hier trifft man eine fromme Frau, die für ihre Kinder betet, S. 443 die dem abwesenden Gatten die Rückkehr, dem Kranken die Gesundheit erfleht. Mit den Gebeten der Märtyrer sollen unsere Gebete sich vereinigen. Die Jünglinge sollen diese ihre Altersgenossen nachahmen, die Väter wünschen, Väter solcher Kinder zu sein, die Mütter, ein Beispiel einer guten Mutter kennen lernen.
Als nämlich die Mutter eines jener Seligen sah, daß die andern Blutzeugen infolge der Kälte bereits verschieden waren, ihr Sohn aber dank seiner Kraft und Widerstandsfähigkeit noch lebte und von den Schergen zurückgelassen wurde in der Hoffnung, er werde seine Gesinnung ändern, da hob sie ihn mit ihren eigenen Armen in den Wagen, auf dem die andern lagen und zum Scheiterhaufen gebracht wurden — wahrhaftig eines Märtyrers Mutter! Sie weinte nicht zaghaft, redete nichts, was kleinlich und jenes Augenblickes unwürdig, sondern sprach: „Mein Sohn, vollende die glückliche Reise mit deinen Alters- und Zeltgenossen, damit du nicht vom Chore getrennt werdest und nicht später als die andern vor dem Herrn erscheinest.“ Wahrlich, einer guten Wurzel guter Sproß! Die edle Mutter zeigte, daß sie ihn mehr mit den Lehren der Gottesfurcht genährt hatte, als mit Milch. Und so geleitete die Mutter den also Erzogenen; der Teufel aber mußte beschämt abziehen. Hatte er doch die ganze Schöpfung gegen sie in Bewegung gesetzt und sehen müssen, wie der Heldenmut der Männer alles überwand: Die windige Nacht, die kalte Gegend, die eisige Jahreszeit, die Entblößung der Körper. — O heiliger Chor! O ehrwürdige Schar, o unerschütterliche Phalanx, o gemeinsame Beschützer aller Menschen! O ihr Genossen unserer Sorgen, ihr Helfer bei unseren Gebeten, mächtigste Boten, ihr Sterne der Welt und Blumen der Kirche! Euch hat nicht die Erde bedeckt, sondern der Himmel aufgenommen; euch sind die Pforten des Paradieses geöffnet worden. Ein würdiges Schauspiel für das Heer der Engel, für die Patriarchen, Propheten, Gerechten waren die Männer, die schon in der Blüte der Jugend das Leben verachtet und den Herrn mehr geliebt haben als Eltern und Kinder. Gerade in den hoffnungsvollsten Jahren haben sie S. 444 das zeitliche Leben verachtet, um Gott in ihren Gliedern zu preisen, und wurden ein Schauspiel für die Welt, die Engel und die Menschen4. Sie haben die Gefallenen aufgerichtet, die Wankenden gestärkt, die Sehnsucht der Frommen verdoppelt. Sie alle haben ein Siegeszeichen für den Glauben errichtet, sind auch mit einer Krone der Gerechtigkeit geschmückt worden in Christo Jesu, unserm Herrn, dem die Ehre und die Macht von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen5.
Ps. 65, 12 [Hebr. Ps. 66, 12]. ↩
Wörtlich: „von Preisenden“ (den Herrn). ↩
Matth. 18, 20. ↩
1 Kor. 4, 9. ↩
Zu den panegyrischen Reden gehört auch — wenigstens teilweise (mit den Kapiteln 1—2) — die IV. Rede „auf Julitta, die Märtyrin“. — Eine weitere Lobrede „auf den hl. Märtyrer Mamas“ (Migne, PG. XXXI, 589—600), die in der früheren Köseler Ausgabe Aufnahme fand, verdient solche Würdigung kaum, da sie dem Zwecke einer Lobrede nicht gerecht wird und auch unter dem Mangel an Einheitlichkeit leidet. (Im Einleitungskapitel nennt er die Veranlassung seiner Rede und fordert die Zuhörer auf, des früher über den hl. Mamas Gehörten sich zu erinnern und davon andern mitzuteilen. In c. 2 weist er nach, daß das Lob des Märtyrers im Reichtum seiner „Gnadengaben“ liegt, und wie das Verdienst allein dauernde Anerkennung findet. In c. 3 redet er von der Würde des Hirtenberufes und Hirtenstandes mit Zuhilfenahme biblischer Belege. In c. 4 redet er vom Mietling und den verschiedenen Klassen von Mietlingen, wobei er ziemlich eingehend mit einigen Häretikern und Häresien sich abgibt.) ↩
