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S. 211 Die Veranlassung zu dieser Versammlung ist die Feier zu Ehren der seligen Märtyrin.1. Wir verkündeten euch den heutigen Tag als den Erinnerungstag des großen Kampfes, den aufs mannhafteste in einem weiblichen Leibe zur höchsten Verwunderung der damaligen Zeugen des Schauspiels wie der künftigen Generation, die von ihrem Martyrium hören werden, Julitta, die seligste der Frauen, gekämpft hat, wenn anders man die noch eine Frau nennen darf, die mit ihrem Starkmut die Schwäche der weiblichen Natur verbarg, die meines Erachtens unsern gemeinsamen Widersacher am schwersten getroffen hat, da er eine Niederlage durch Frauen nicht erträgt. Er, der sich rühmte und prahlte, die ganze Welt erschüttern, sie wie ein Vogelnest erfassen und wie verlassene Eier ausheben2 zu können und Städte entvölkern zu wollen, erschien weiblicher Tugend erlegen. Er versuchte in einer Stunde der Prüfung ihr zu zeigen, daß sie bei ihrer natürlichen Schwäche nicht bis ans Ende ihrem Gottesglauben treu bleiben könne. Aber er mußte erfahren, daß sie durch die Prüfung über ihre Natur hinauswuchs und sie um so weniger auf seine Schreckmittel gab, je mehr er sie durch Martern einzuschüchtern glaubte.
Sie hatte nämlich einen Prozeß mit einem Mächtigen der Stadt, einem habsüchtigen, gewalttätigen Manne, der durch Raub und Beute reich geworden war. Dieser nahm ihr viel Land weg, eignete sich Felder und Höfe, Vieh und Sklaven und die ganze übrige Fahrnis der Frau an. Dann nahm er die Gerichte für sich ein und stützte sich dabei auf Verleumder, falsche Zeugen und die Bestechlichkeit der Richter. Als der Verhandlungstermin da war, der Gerichtsdiener vorlud und die Verteidiger bereitstanden, da begann die Frau die Brutalität des Menschen zu schildern, wollte erzählen, wie sie zu ihrem Vermögen gekommen, und nachweisen, wie die Länge der Zeit für S. 212 sie als die rechtmäßige Besitzerin spreche, um daraufhin den Mann ob seiner Gewalttätigkeit und Habsucht anzuklagen. Jetzt erhob sich der Angeklagte und erklärte, dieser Streitfall könne beim Gerichte nicht anhängig gemacht werden; denn es sei nicht erlaubt, daß diejenigen gleiche Rechte genießen, welche die Götter der Kaiser nicht verehrten und dem Glauben an Christus nicht abschwüren. Dem Vorsitzenden schien diese Erklärung berechtigt und wohlbegründet. Alsbald wurde Kohlenbecken und Weihrauch beigeschafft und den Parteien folgender Vorschlag gemacht: Verleugneten sie Christum, so sollten sie den Rechtsschutz der Gesetze genießen; wer aber am Glauben festhielte, dem stünde weder Gericht noch Gesetz noch überhaupt der Rechtsschutz des Bürgers zu, da solche nach dem Gesetze der damaligen Herrscher ehrlos waren.
