3.
Möge es dir nicht so ergehen! Uns zur Warnung steht ja das geschrieben. Ahme die Erde nach, o Mensch! Trage Früchte wie jene und zeige dich nicht weniger gut als die seelenlose (Erde)! Sie brachte nun die Früchte nicht zu eigenem Genusse, sondern zu deiner Nutznießung hervor. Du aber sammelst jegliche Frucht deiner Wohltätigkeit für dich selber, eben weil aus den Wohltaten Gnade und Segen auf die Spender zurückfließt. Gabst du dem Hungrigen, so wird das, was du gegeben, dein und kommt mit Zuwachs zurück. Wie das Getreide, das in die Erde fällt, dem Sämann Gewinn bringt, so wird das Brot, das du dem Hungrigen reichst, dir später reichen Gewinn abwerfen. Darnach soll dir der Endzweck des Landbaus Anfang der Aussaat für den Himmel sein. „Säet doch“, sagt der Prophet, „für S. 231 euch selbst zur Gerechtigkeit1!“ Warum ängstigst du dich, warum quälst du dich ab, den Reichtum mit Lehm und Ziegelsteinen zu verschließen? „Ein guter Name ist mehr wert als viel Reichtum2.“
Wertest du aber den Reichtum so hoch wegen der Ehre, die er bringt, so bedenke, wie viel rühmlicher es ist, Vater zahlloser Kinder genannt zu werden, als eine Unmenge Münzen in der Kasse zu haben. Das Geld wirst du hier lassen, magst du wollen oder nicht; aber die Ehre aus guten Werken wirst du zum Herrn hinübertragen, wenn einmal beim allgemeinen Gerichte alles Volk um dich herumsteht, dich einen Nährvater und Wohltäter nennt und dir alle Titel der Menschenliebe beilegt. Siehst du nicht, wie manch ein Theater auf Fechter, Schauspieler und Tierkämpfer, die man ohne Abscheu nicht einmal ansehen kann, für die kurze Ehre, für den Lärm und das Beifallklatschen des Volkes ihren Reichtum verwenden? Du aber bist karg im Aufwande und in Ausgaben, womit du doch so großen Ruhm ernten könntest? Gott wird dich aufnehmen, die Engel werden dich loben, die Menschen seit Erschaffung der Welt dich selig preisen; ewiger Ruhm, die Krone der Gerechtigkeit, das Himmelreich wird dein Lohn sein für die gute Verwaltung der vergänglichen Güter. Um all das kümmerst du dich nicht und übersiehst in deiner Sucht nach irdischen Gütern die ewigen. Wohlan — verfüge über deinen Reichtum verschiedentlich! Suche deine Ehre und Herrlichkeit in dessen Verwendung zugunsten der Armen! Man sage auch von dir: „Er streute aus, gab den Armen; seine Gerechtigkeit währt ewig3.“ Sei nicht so teuer (mit den Dingen), und achte auf das Bedürfnis! Warte nicht eine Hungersnot ab, um dann deine Scheunen zu öffnen! „Denn wer den Getreidepreis steigert, ist beim Volke verflucht4.“ Warte nicht auf Hunger des Goldes wegen, noch hoffe auf allgemeinen Mangel ob des eigenen Überflusses! Sei kein Spekulant mit S. 232 menschlichem Unglück! Mach’ den Zorn Gottes nicht zu einer überreichen Gewinnquelle! Reiß die Wunden der von der Gottesgeißel Betroffenen nicht weiter auf! — Doch du schaust auf das Gold; auf den Bruder siehst du nicht. Du kennst das Gepräge der Münze und weißt die falsche von der echten zu unterscheiden; aber den Bruder in der Not kennst du gar nicht.
