4.
Der Glanz des Goldes freut dich ungemein; aber wieviel Seufzen von Armen du verschuldest, bedenkst du nicht. Wie soll ich dir die Leiden der Armen vor Augen stellen? Überschaut der Arme seine Habe, so sieht er, daß er kein Geld hat noch je bekommen wird, er sieht, wie sein Inventar und seine Kleider in dem Zustande, in dem nun einmal diese Dinge bei den Armen sind, zusammen nur wenige Pfennige wert sind. Was jetzt? Nun wirft er seinen Blick auf seine Kinder, um sie auf den Markt zu führen und zu verkaufen, um so die Gefahr des Hungertodes zu beschwichtigen1. Betrachte hier den Kampf der Hungersnot und der väterlichen Liebe! Der Hunger droht mit dem jammervollsten Tode2; die Natur hält ihn zurück und rät ihm, mit seinen Kindern zu sterben. Oft hin- und hergetrieben, erliegt er schließlich der unerbittlichen Not. Wie will es der Vater nun angehen? Welches Kind soll ich zuerst verkaufen? Welches wird der Getreidehändler gerne sehen? Soll ich das älteste nehmen? Doch muß ich die Rechte seines Alters respektieren. Oder das jüngste? Doch mich erbarmt sein Alter, das vom Elend noch nichts weiß. Das eine Kind hat genau die Züge seiner Eltern, das andere ist befähigt für das Studium. Ach, welche Verlegenheit! Was soll aus mir werden? An welchem soll ich mich vergreifen? Welche Tierseele soll ich annehmen? Wie soll ich die eigene Natur vergessen? Behalte ich sie alle, so werde ich sie alle des Hungers sterben sehen. Verkaufe ich eines, mit welchen Augen soll ich dann die andern anschauen, da ich mich schon der Untreue an ihnen verdächtig gemacht habe? Wie kann ich noch das S. 233 Haus bewohnen, wenn ich mich selbst kinderlos gemacht habe? Wie kann ich mich an den Tisch setzen, der auf solchem Wege zu seinem reichlichen Gedeck kam? Schließlich kommt der Vater doch, um unter tausend Tränen sein liebstes Kind zu verkaufen. Dich aber rührt sein Leid nicht; du nimmst keine Rücksicht auf die Natur3? Der Hunger quält den Unglücklichen; du aber zögerst und spottest und verlängerst ihm das Elend. Er gibt als Preis für die Lebensmittel sein Herzblut hin; aber deine Hand erstarrt nicht nur nicht, aus solchem Elend Gewinn zu ziehen, sondern du feilschest gar um höheren Preis, zankst, um möglichst viel zu bekommen und möglichst wenig zu geben, und erschwerst so auf alle mögliche Weise dem Unglücklichen sein bitteres Los. Keine Träne rührt dich, kein Seufzer erweicht dein Herz; du bleibst hart und gefühllos. Du siehst nur Gold, denkst nur an Gold; davon träumst du im Schlafe, darnach trachtest du wachend. Wie die Wahnsinnigen nicht die wirklichen Dinge sehen, sondern die Ausgeburten ihrer Leidenschaft, so sieht auch deine vom Goldteufel besessene Seele überall nur Gold und Silber. Lieber siehst du das Gold als die Sonne. Du möchtest alles in Gold verwandelt sehen, darauf geht all dein Sinnen und Trachten.
