1.
S. 290 Gut ist Gott, und Gutes gewährt er den Würdigen; schlimm ist der Teufel und der Vater jeglicher Bosheit. Und wie dem Guten die Neidlosigkeit folgt, so begleitet den Teufel die Mißgunst. Brüder, so wollen wir uns vor der Leidenschaft des Neides hüten, damit wir nicht Teilnehmer an den Werken des Widersachers werden und mit ihm dasselbe verdammende Gericht finden. Denn wenn der Hochmütige in die Verdammung des Teufels verfällt, wie wird dann der Neider der dem Teufel bereiteten Strafe entgehen? Keine furchtbarere Leidenschaft wuchert ja im Herzen des Menschen als der Neid, der (zwar) der Außenwelt am wenigsten wehe tut, aber für den damit Behafteten ein ganz besonderes und höchstpersönliches Übel ist. Wie Rost das Eisen, so verzehrt der Neid die von ihm besessene Seele. Ja noch mehr, wie die Nattern bei ihrer Geburt den Leib der Mutter durchnagen sollen1, so pflegt auch der Neid die ihn mit Wehen gebärende Seele zu verzehren. Denn der Neid ist der Ärger über das Wohlergehen des Nächsten. Deshalb wird der Neidische Kummer und Mißmut nie los. Trägt der Acker des Nachbars reichlich Frucht, ist sein Haus mit allem zum Leben Erforderlichen reichlich versehen, ist der Mann seelenvergnügt, so gibt all das der Krankheit des Neiders Nahrung und steigert seinen Schmerz. So gleicht er ganz einem Nackten, der von allen Seiten verwundet wird. Ist jemand rüstig und gesund, so verwundet das den Mißgünstigen; hat jemand eine schönere Gestalt, so ist das eine neue Wunde für ihn. Überragt einer die Menge an Geistesgaben, wird er wegen seiner Klugheit und Rednergabe geachtet und bewundert, ist ein anderer reich und zeigt sich splendid im Geben und Mitteilen an Dürftige und wird er darob von den wohltätig Bedachten recht gelobt, dann sind das lauter Schläge und Wunden, die den Geizhals mitten ins Herz treffen. — Und das Schlimmste bei dieser Krankheit ist, daß er sie nicht einmal offenbaren kann. Er schlägt nur die Augen nieder, ist traurig, verwirrt, klagt und geht am Übel zugrunde. Frägt man ihn nach seinem Leiden, so schämt er sich, sein Weh zu verraten S. 291 und zu sagen: Ich bin neidisch und verbittert; es kränkt mich das Glück des Freundes; ich bin traurig ob der Freude meines Bruders und kann fremdes Glück nicht sehen; das Wohlergehen des Nächsten macht mich unglücklich. So müßte er nämlich reden, wenn er die Wahrheit sagen wollte. Weil er aber lieber davon nichts verraten will, so verbirgt er die Krankheit tief im Innern, und sie zehrt und nagt an ihm.
Vgl. Hexaemeron, Hom. IX, c. 5. ↩
