10.
1.1 Wenn nun auch Freßsucht und Trunksucht schlimme Leidenschaften sind, so sind sie doch nicht so schlimm wie die Putzsucht. Eine vollbesetzte Tafel und rasch nacheinander gefüllte Becher reichen aus, um die Gefräßigkeit zu befriedigen; für die Leute aber, die von der Sucht nach Gold und nach Purpur und nach Edelsteinen erfüllt sind, genügt weder das Gold über und unter der Erde2 noch das Tyrische Meer noch auch die Frachten aus Indien und Äthiopien,3 ja nicht einmal der Paktolos, der Gold in seinen Fluten mit sich führt.4
2. Und wenn einer von ihnen auch ein Midas5 würde, S. a144 so wäre er nicht befriedigt; sondern er ist noch arm, weil er sich noch nach anderem Reichtum sehnt; solche Leute sind aber bereit, zusammen mit dem Gold zu sterben. Wenn aber der Reichtum auch blind ist,6 wie er es tatsächlich ist, wie sollten da die Weiber, die in ihn vernarrt sind und die gleichen Leidenschaften mit ihm haben, nicht auch blind sein?
3. Da nun ihre Begierde keine Grenze hat, so geraten sie auf die Irrwege der Schamlosigkeit Denn damit sie von allen gesehen werden, haben sie das Theater nötig und festliche Aufzüge und eine Menge von Zuschauern und das Hin- und Herwandeln in den Heiligtümern und das Herumstehen auf den Straßen.
4. Denn da sie auf ihr Gesicht, nicht auf ihr Inneres stolz sind,7 schmücken sie sich, um anderen zu gefallen. Denn wie man den entlaufenen Sklaven an den Brandmalen erkennt, so erkennt man die Dirne an ihren bunten Kleidern.8 „Und magst du dich auch in Purpur hüllen und dich mit goldenem Geschmeide schmücken und magst du deine Augenbrauen mit schwarzer Farbe schminken, so ist doch dein Streben, dich schön zu machen, vergeblich“,9 sagt der Logos durch Jeremias.
Zu 10, 1 vgl. Plut Moral, p. 523 E. ↩
Vgl. Platon, Gesetze V p. 728 A. ↩
Aus dem Tyrischen Meer stammt die Purpurschnecke, aus Indien und Äthiopien stammen die Edelsteine, vgl. oben 4, 2. ↩
Vgl. Protr. 85, 4 mit Anm. ↩
Es ist hier nicht an die durch Ovid, Metam. XI, 85ff. behandelte Sage, daß sich alles, was der Phrygerkönig berührte, in Gold verwandelte, zu denken, sondern an seinen sprichwörtlichen Reichtum; vgl. unten Paid. III 34, 4 mit Anm. ↩
Vgl. Protr.102, 2.; Paid. II 14, 4; Strom. IV 24, 1. ↩
Vgl. 2 Kor. 5, 12. ↩
Vgl. Paid. II 105, 2. ↩
Jer. 4, 30. ↩
