11.
1. Ist es ferner nicht ungereimt, daß Pferde und Vögel und die anderen Tiere vom jungen Grün und von den Wiesen sich erheben und auffliegen, zufrieden mit dem angeborenen Schmuck, mit der Pferdemähne und der natürlichen Farbe und dem bunten Gefieder, dagegen die Frau, als stünde sie hinter der Natur der Tiere zurück, sich für so wenig schön hält, daß sie fremder Schönheit, erkaufter und gemalter, bedarf?
2. Haarnetze und verschiedene Formen solcher Netze und übertrieben sorgfältiges Haarflechten und die unzähligen Formen der Haartracht und die kostspieligen Einrichtungen von Spiegeln, vor denen sie sich schön herrichten, um auf diejenigen Jagd zu machen, die gleich unverständigen S. a145 Kindern die äußere Erscheinung bewundern: mit all diesen Dingen befassen sich nur Frauen, die jedes Schamgefühl völlig verloren haben und die man wohl mit Recht Dirnen nennen dürfte, da sie aus ihren Gesichtern Masken machen.1
3. Uns aber ermahnt der Logos, „nicht auf das Sichtbare zu schauen, sondern auf das Unsichtbare; denn das Sichtbare ist vergänglich, das Unsichtbare aber ewig“.2 Und was das Maß der Ungereimtheit noch überschreitet, für ihre künstlich hergerichtete Erscheinung haben sie, als ob sie etwas besonders Gutes oder eine große Verbesserung wäre, Spiegel erfunden, während es sich vielmehr geziemt hätte, über einen solchen Trug einen Schleier zu breiten; denn auch dem schönen Narkissos3 brachte es, wie die griechische Sage erzählt, kein Glück, daß er zum Betrachter seines eigenen Bildes wurde.
