4.
Verschließe also nicht deinen Mund, der viel Gutes gesprochen hatte! Denn zahlreich sind seine Früchte, groß ist die Gerechtigkeit, welche er gewirkt hatte. Willst du die Zahl deiner Kinder und deiner Schätze wissen, dann blicke um dich! Siehe, dieses ganze Volk ist es, das du in Christus durch das Evangelium erzogen hast! Versage uns nicht deine Reden, die zwar kurz, aber dafür um so trefflicher sind, verschone uns noch mit dem Hinweis auf den drohenden Verlust1! Rede! Ist es auch wenig, es ist mir doch lieb und so angenehm. Sind deine Worte auch schwer verständlich, so werden sie doch vernehmbar durch den Geist, der in dir ruft, wie ja auch Gott Moses trotz seines Schweigens S. 324 vernommen hatte; obwohl dieser sich nur geistig an Gott gewandt hatte, wird er gefragt: „Warum rufst du zu mir2?“ Richte das Volk auf für mich, der ich zuerst dein Schüler, alsdann Hirte wurde und nunmehr erster Hirte bin! Belehre mich über die Pflichten des Seelsorgers, dieses Volk aber über den Gehorsam! Gib uns einigen Aufschluß über die gegenwärtige Heimsuchung und über die gerechten Gerichte Gottes, mögen wir sie nun erfassen oder mögen sie uns in ihrer ganzen Tiefe unbegreiflich bleiben! Zeige, inwieferne das Wort des heiligen Isaias „Die Erbarmung wird auf die Wage gelegt3“ richtig ist; denn die Güte verfährt nicht ohne Kritik wie die, welche zuerst im Weinberge in Arbeit getreten waren, meinten, da sie es nicht begriffen, daß es trotz der Gleichheit noch eine Verschiedenheit gibt4. Zeige, inwieferne der Zorn, der als Kelch in der Hand des Herrn und als Schale des Verderbens, welche man austrinkt, bezeichnet wird5, den Sünden entspricht, mag auch allen etwas von der verdienten Strafe erlassen und dem ungemischten Zorne Barmherzigkeit beigemischt werden! Der Herr „wendet6“ zwar die Härte zur Milde denen, welche sich von Furcht leiten lassen, aus kleinen Leiden empfangen, die Bekehrung in Geburtswehen in sich tragen und den vollkommenen Geist der Erlösung gebären7. Die Hefe jedoch, d. i. den heftigsten Zorn, bewahrt er auf, um sie zu leeren für die, welche sich nicht durch Güte heilen lassen, sondern sich verhärten gleich dem hartherzigen Pharao, der (dem jüdischen Volke) schwere Arbeiten auflud und ein Beispiel dafür ist, wie Gottes Macht gegen die Gottlosen verfährt.
Wegen des hohen Alters des Vaters war sein Tod nicht mehr ferne. ↩
Exod. 14, 15. ↩
Is. 28, 17. ↩
Matth. 20, 12. ↩
Ps. 74, 9 [hebr. Ps. 75, 9]. ↩
κλίνων ἐκ τοῦ ἀποτόμου [klinōn ek tou apotomou]. Dieser und der folgende Satz sind Auslegungen der beiden Sätzchen von Ps. 74, 9 [hebr. Ps. 75, 9]: καὶ ἔκλινεν ἐκ τούτου εἰς τοῦτο· πλὴν ὁ τρυγίας, αὐτοῦ οὐκ ἐξεκενώθη [kai eklinen ek toutou eis touto· plēn ho trygias, autou ouk exekenōthē. ↩
Vgl. Is. 26, 18. ↩
