19.
Was wollen wir gegen Gottes Strafe einwenden, da wir doch Getreide aufkaufen und verkaufen und die Mißgunst der Zeiten benützen, um Profite zu machen und das Unglück des Nächsten zur eigenen Lust zu verwerten und in verbrecherischer Weise das Eigentum der Landsleute an uns zu ziehen im Gegensatz zu Joseph, welcher die Ernten der Ägypter im Interesse der Allgemeinheit einforderte1. Joseph verstand es nämlich nicht bloß, Getreide aufzukaufen, sondern auch weise zu verteilen; da er die Hungersnot vorauswußte, arbeitete er S. 340 im voraus dagegen. Wir sagten: „Wann ist der Monat vorüber, um verkaufen zu können? Wann sind die Sabbate zu Ende, damit wir unsere Schätze öffnen können2 und mit zweierlei Maß und Gewicht das Recht unmöglich machen und das bleierne Gewicht zu unseren Gunsten legen?“ Was wollen wir einwenden? Denn unsere Habsucht kennt keine Grenze, und wir beten Gold und Silber an, so wie unsere Vorfahren die Baal und Astarte und den abscheulichen Chamos angebetet haben3. Wir hängen uns an kostbare, glänzende Steine und weiche und wallende Kleider, welche von Motten verzehrt und von Räubern, Tyrannen und Dieben gesammelt werden. Wir sind stolz auf viele Diener und Hände. Auf Ebenen und Bergen machen wir uns breit, da wir nicht nur zu den Besitzern gehören, sondern auch unseren Besitz erweitern und immer noch mehr vergrößern, gleich dem Blutegel, von dem Salomon spricht und der gleich der Unterwelt, der Erde, dem Feuer und dem Wasser unersättlich ist4. Auch anderes, schon bewohntes Land möchten wir noch besitzen. Wir sind böse auf die von Gott gesetzten Grenzen, weil sie für unsere Gier und Unersättlichkeit zu enge sind. Was können jene einwenden, welche auf den hohen Thronen sitzen, ihr fürstliches Zelt aufrichten und ihre Stirne noch kühner erheben als die Schauspieler und nicht daran denken, daß Gott über allen erhaben und die Höhe seiner wahren Herrlichkeit unzugänglich ist und daß sie in ihren Untertanen, mit welchen sie doch dasselbe Hilfsbedürfnis verbindet, Genossen erblicken sollten? Achte auch noch auf die, gegen welche sich der treffliche Amos5 mit Recht wendet, da sie auf elfenbeinernen Betten schwelgen, sich mit kostbaren Ölen salben, dem Spiele der Musikinstrumente Beifall klatschen und sich an das Flüchtige hängen, als wäre es ewig, mit dem Schicksal Josephs aber kein Mitleid haben! Gegen die, welche schon vor ihnen vom S. 341 Unglück ereilt worden waren, hätten sie mildtätig sein sollen, um durch Mitleid Mitleid zu erwerben. Die Tanne hätte heulen sollen, als die Zeder fiel6. Das Unglück des Nächsten hätte ihnen eine Warnung sein und das Leid Fremder sie zur Sorge für sich selbst veranlassen sollen; sie waren gegenüber dem früheren Geschlechte im Vorteil, da dieses ihnen, nicht aber sie diesem den Weg zum Heile wiesen.
