KAPITEL I.
Was demnach das hochmütige Verhalten jenen gegenüber betrifft, die mir diese Würde zugedacht hatten, daß ich ferner nicht in der Absicht, ihnen Schimpf anzutun, mich durch die Flucht ihr entzogen habe, darüber habe ich das zu sagen, was ich soeben vorbrachte. daß ich dabei überhaupt nicht von Hochmut aufgeblasen vorgegangen bin, auch das will ich jetzt, so gut ich es vermag, klarzulegen suchen. Hätte ich nämlich die Wahl, Feldherr oder König zu werden und würde ich dann die gleiche Gesinnung an den Tag legen1 , so könnte man mit Recht so etwas annehmen, oder vielmehr niemand würde mich des Hochmutes, sondern jedermann des Wahnsinns beschuldigen. Nun aber, da mir das Priestertum angeboten worden, welches ebenso sehr über die Königswürde erhaben ist als der Geist über das Fleisch, will man sich erdreisten, mich des Hochmutes zu zeihen? Wie sollte es nicht ungereimt sein, Männer, welche geringe Würden ablehnen, als verrückt hinzustellen, diejenigen dagegen, welche bei weit höher stehenden Ämtern das nämliche tun2, mit der Anklage des Wahnsinns zu verschonen, jedoch mit Beschuldigungen des Hochmutes zu überhäufen! Das wäre geradeso, als ob man einen Menschen, der eine Rinderherde verachtet und es ablehnt, Rinderhirte zu werden, durchaus nicht für hochmütig, sondern für verrückt halten, und jenen, der sich weigert, die Herrschaft über die ganze Welt und den Oberbefehl über sämtliche Heere des Erdkreises anzunehmen, nicht für wahnsinnig, sondern für aufgeblasen erklären wollte. Aber so verhält es sich keineswegs, und diejenigen, welche derartige Behauptungen aufstellen, setzen weniger mich als sich selber ins Unrecht. Denn S. 138 schon der Gedanke allein, es sei überhaupt der Menschennatur möglich, jene Würde zu verachten, zeugt wider die Betreffenden selbst, die ihn ausgesprochen, als Beweis, welche Meinung sie eigentlich von der Sache haben. Würden sie das Priestertum nicht zu den gewöhnlichen Dingen rechnen, von denen nicht viel Aufsehen zu machen sei, dann wäre ihnen nie ein solcher Argwohn in den Sinn gekommen. Warum hat noch niemand betreffs der Engelswürde gewagt, Derartiges zu argwöhnen und zu behaupten, daß der menschliche Geist aus Stolz es nicht erstrebe 3, zur Würde der Engelsnatur zu gelangen? Machen wir uns doch gar hohe Vorstellungen von jenen Mächten und eben das hindert uns, zu glauben, es könnte ein Sterblicher etwas Größeres sich ausdenken als diese Würde. Deshalb könnte man mit weit stärkerem Rechte diejenigen des Stolzes beschuldigen, welche mir den genannten Vorwurf gemacht haben. Denn sie würden nimmermehr von anderen so etwas annehmen, wenn sie nicht selbst zuvor die ganze Sache als eine wertlose geringschätzig beurteilt hätten.
Falls sie aber behaupten, ich habe aus Ruhmsucht so gehandelt, dann geraten sie mit sich selbst in offenen Widerspruch und widerlegen sich selber. Denn ich weiß wirklich nicht, welch andere Gründe anstatt der vorgebrachten sie hätten ausfindig machen können, wenn sie mich gegen den Vorwurf der Ehrsucht hätten verteidigen wollen.
