21.
Ein würdiges Lob spendete darob der Prophet dem Herrn mit dem Ausruf: „Wie groß sind deine Werke, o Herr! alle hast du in Weisheit gemacht“. Alle durchdringt die göttliche Weisheit, alle erfüllt sie. Überzeugender noch läßt sich das aus dem Instinkte der unvernünftigen Wesen als aus dem gelehrten Dispute der vernünftigen erschließen. Denn schwerer wiegt das Zeugnis der Natur als wissenschaftliche Begründung. Welchem Tiere wäre es unbekannt wie es sein Leben zu schützen habe: bei genügender Kraft durch Widerstand, bei Geschwindigkeit durch Flucht, bei Schlauheit durch Vorsichtsmaßregel? Welcher Lehrer hätte es in die Heilpraxis und Kräuterkunde eingeführt? Wir sind Menschen und irren uns oft in der Art der Kräuter und finden gar häufig, daß uns Kräuter, die wir für Heilkräuter hielten, schaden. Wie oft schlich sich nicht schon in ein süßes Mahl ein tödlicher Bissen ein, und drang nicht ein verhängnisvoller Schluck bei aller Wachsamkeit der Hofbediensteten ins Lebensmark der Könige! Die Tiere wissen am bloßen Geruche zwischen dem Schädlichen und Nützlichen zu unterscheiden. Keines braucht [mit seinem Beispiel] vorausgehen, keines S. 248 vorauskosten: das Pflänzchen wird abgegrast und schadet nicht. Die beste Leherin der Wahrheit ist die Natur. Sie senkt, ohne daß es der Unterweisung irgendeines Lehrers bedarf, unserem Herzen den Sinn für das köstliche Gut der Gesundheit ein; sie hinwiederum lehrt uns herben Schmerz fliehen. So ward das Leben süßer, so der Tod bitterer. Sie vertraut der Löwin Junge an und läßt die fühllose Bestie von sanfter Mutterliebe angewandelt werden. Sie nimmt dem Tieger für einige Augenblicke die Wildheit und hält ihn von der Beute zurück, auf die er sich stürzten will. Sobald er nämlich seine Lagerstätte leer und seine Jungen geraubt findet, verfolgt er unverzüglich die Spur des Räubers. Merkt dieser, daß er trotz des flüchtig eilenden Rosses, das ihn trägt, vom schnellen Raubtier eingeholt werde und jede Möglichkeit des Entrinnens ausgeschlossen sei, sucht er sich künstlich mit folgender List zu retten: In dem Augenblick, da er sich eingeholt sieht, wirft er eine Glasscheibe hin, und wirklich: die Bestie läßt sich vom eigenen Bilde täuschen und hält es für ihr Junges. Verlangen, es zu bergen, steht sie vom Überfall ab. Von neuem aber wirft sie sich, vom Trugbilde aufgehalten, mit allen Kräften auf die Verfolgung des Reiters. Von Wut aufgestachelt, beflügelt sie den Lauf. Schon droht sie über den Flüchtling herzufallen: wieder wirft ihr dieser eine Scheibe vor und hält sie so in ihrer Verfolgung auf. Sie erinnert sich des Truges, doch das beirrt sie in ihrem mütterlichen Eifer nicht. Sie kehrt das Trugbild zu sich und bleibt wie zur Säugung der Jungen zurück. So büßt sie, vom Eifer ihrer Mutterliebe getäuscht, beides ein: die Rache und das Junge.
