5. Bei Verurtheilungen soll man nicht leichtgläubig sein, sondern genau und wiederholt prüfen.
Niemals erzeugte es Verdruß, ein Urtheil verbessert zu haben. Ein Jüngling war es und ein Werkzeug des hl. Geistes, welcher die durch die Falschheit der Greise verurtheilte Susanna1 für unschuldig befunden, als Keusche S. 239 wird sie von der Strafe durch einen Knaben zurückgeführt, da sie durch Greise als eine Schamlose hingestellt wird. Nicht jedem Geiste also darf man, wie gewarnt wird, 2 Glauben schenken, sondern lange und sehr genau muß man prüfen, befonders nach der Glaubwürdigkeit des Menschen, ob sein Stand und Lebenswandel verläßlich sei. Auch den Salomo täuschte die Erforschung der Wahrheit in dem Streite um das Kind nicht. 3 Denn nicht allsogleich schrieb er den zwei unter einander streitenden Weibern das eine Pfand zu, sondern dort fand er als schwergläubiger Schiedsrichter (das Recht), wo er aufrichtige Liebe wahrnahm. Sehr selten mag es sein, daß ein langes und sorgfältiges Zögern nicht zur Wahrheit gelangt. Es ist ein Zeichen einer vortrefflichen Gesinnung, das Böse schwer zu glauben. Denn die Meisten, deren gutem Bekenntnisse über sich man ungern Glauben schenkt, werden in den Abgrund jenes Fehlers4 hinabgedrängt und wird jene Wunde zu einer unheilbaren gemacht, an deren Heilung man verzweifelt.
