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S. 283Geliebteste! Was ihr von uns erwartet, dem müssen wir auch schuldigerweise mit Hilfe des Herrn nachkommen. Auf euer Gebet hin wird uns der die Kraft verleihen, unser Versprechen einzulösen, der euch darnach so eifrig verlangen ließ. In unserer letzten Predigt über das Leiden Christi kamen wir bis zu der Stelle im Evangelium, wo uns erzählt wird, daß Pilatus dem gottlosen Geschrei der Juden, Jesus zu kreuzigen, nachgab. Nachdem also alles geschehen war, was die unter der Hülle des Fleisches nicht hervortretende Gottheit zuließ, wurde Jesus Christus, der Sohn Gottes an das Kreuz geschlagen, das er selbst getragen hatte. Die gleiche Strafe erlitten mit ihm zwei Räuber, der eine zu seiner Rechten, der andere zur Linken. So sollte uns auch die Art der Kreuzigung die Unterscheidung vor Augen führen, die beim Weltgerichte des Herrn eintreten wird1 . Der gläubige Schächer ist das Vorbild derer, die gerettet werden, während die Verstocktheit des Gott lästernden Räubers auf die Verdammten hinweist2 . So liegt also im Leiden Christi das Geheimnis unserer Erlösung. Das Werkzeug, dessen sich die Bosheit der Juden zur Strafe bediente, verwandelte die Macht des Heilands in eine Stufenleiter, die uns zur Herrlichkeit führt. Und mit solcher Selbstverleugnung ließ er sich zum Heile aller jene Bosheit gefallen, daß er sogar mitten unter den Schmerzen, die ihm die Nägel verursachten, mit denen er ans Holz geschlagen war, für seine Mörder vom Vater Barmherzigkeit erflehte, indem er ausrief: „Vater, verzeih ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun!“3 .
