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Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat (BKV)
15. Ob sich wohl die Menschen des ersten Weltalters bis zu den Lebensjahren, da von ihnen Kindererzeugung berichtet wird, der geschlechtlichen Vereinigung enthalten haben?
Nun wird man etwa fragen: „Soll man also glauben, daß ein Mensch, der Kinder zu erzeugen fähig war und sich nicht Enthaltsamkeit vorgenommen hatte, 100 und mehr Jahre oder, nach den Zahlenangaben des hebräischen Textes, nicht viel weniger, 80, 70, 60 Jahre den Beischlaf überhaupt nicht ausgeübt oder, wenn er ihn ausübte, keine Nachkommenschaft zu erzeugen vermocht habe?“ Diese Schwierigkeit läßt sich auf doppelte Art lösen. Entweder trat die Geschlechtsreife in demselben Verhältnis später ein, als das Gesamtleben länger währte, oder, was mich glaubhafter dünkt, es sind hier nicht die erstgeborenen Söhne erwähnt, sondern die1, deren Erwähnung durch die Abstammungsfolge gefordert wurde, wollte man auf Noe herabgelangen, von dem wir dann wieder die Abstammungsfolge auf Band 16, S. 835Abraham herabgeführt sehen, und dann weiterhin bis zu einem bestimmten Zeitpunkt, soweit es notwendig war, um auch durch Erwähnung der Geschlechtsfolgen den Verlauf des glorreichen, auf dieser Welt pilgernden und das himmlische Vaterland suchenden Staates zu kennzeichnen. Als erster von allen ging aus der Vereinigung von Mann und Weib Kain hervor; das läßt sich nicht in Zweifel ziehen. Denn Adam hätte nach seiner Geburt sonst nicht gesagt2: „Ich habe einen Menschen gewonnen durch Gott“, wenn Kain nicht der erste Mensch gewesen wäre, der sich zu beiden durch die Geburt hinzugesellte. Ihm folgte Abel, den der ältere Bruder erschlug, und er zuerst führt eine Art Vorbild des pilgernden Gottesstaates vor Augen, insofern dieser von Gottlosen und sozusagen Erdgeborenen, d. h. von solchen, die ihren irdischen Ursprung lieben und deren Freude das irdische Glück des Erdenstaates ist, ungerechte Verfolgung erleiden sollte. Wie alt jedoch Adam war, als er die beiden zeugte, ist nicht ersichtlich. Von da ab werden zwei Zeugungsreihen in ihrer Abstammungsfolge vorgeführt, die eine von Kain ausgehend, die andere von dem, welchen Adam zum Ersatz für den vom Bruder Erschlagenen zeugte und dessen Namen er Seth nannte, indem er sprach, wie geschrieben steht3: „Denn Gott hat mir einen andern Samen erweckt an Stelle Abels, den Kain erschlug“. Diese beiden Zeugungsreihen, die von Seth und die von Kain ausgehende, deuten durch ihre Sonderung die beiden Staaten an, von denen wir handeln, den himmlischen, der auf Erden in der Fremde ist, und den Weltstaat, der den irdischen Freuden, als wären sie die einzigen, nachjagt und anhängt. Daher ist bei der Nachkommenschaft Kains, obwohl sie mit Einschluß Adams bis zur achten Geschlechtsfolge aufgezählt wird, nirgends ausdrücklich angegeben, wie alt die einzelnen gewesen seien, als sie den erzeugten, der nach ihnen erwähnt wird. Es widerstrebte eben dem Geiste Gottes, bei den Zeugungen im Weltstaat vor der Sündflut Zeiten anzumerken, aber bei Band 16, S. 836denen im himmlischen Staate tat er es gern, um anzudeuten, daß die Zeugungen denkwürdiger seien. Bei Seths Geburt also werden zwar die Jahre seines Vaters nicht verschwiegen, aber dieser hatte schon andere gezeugt, und wer möchte bestimmt behaupten, ob nur Kain und Abel? Denn wenn auch diese zwei allein genannt werden, so ist daraus doch nicht zu folgern, daß sie die einzigen waren, die bis dahin aus Adam hervorgegangen waren; sie werden eben genannt im Zusammenhang mit der Reihenfolge der zu erwähnenden Zeugungen. Es heißt ja von Adam4, daß er Söhne und Töchter gezeugt habe, und keines von diesen Kindern ist mit Namen aufgeführt; niemand kann also, ohne sich auf das Gebiet der gewagten, ja kecken Behauptungen zu begeben, bestimmt sagen, das wievielte Kind Adams Seth gewesen ist. Adam konnte ja von oben eine Andeutung erhalten haben, als er die Geburt Seths mit den Worten begrüßte: „Denn Gott hat mir einen andern Samen erweckt an Stelle Abels“, und diese Worte wären dann auf Seths Heiligkeit zu beziehen, die bestimmt war, an Stelle der Abels zu treten, und drückten nicht aus, daß Seth der Zeit nach als der erste nach Abel geboren worden wäre. Wenn es dann weiter heißt5: „Seth aber lebte 205 Jahre (oder nach der hebräischen Überlieferung: 105 Jahre) und zeugte den Enos“, so kann doch nur Unbesonnenheit diesen Enos ohne weiters als Seths Erstgeborenen bezeichnen und uns die verwunderte Frage auf die Lippen drängen, wie denn so viele Jahre hindurch Seth unverheiratet geblieben ohne allen Vorsatz der Enthaltsamkeit oder seine Ehe ohne Kinder geblieben sei, zumal da es doch auch von ihm heißt: „Und er zeugte Söhne und Töchter, und es waren alle Tage Seths 912 Jahre, da starb er“. Und so wird auch weiterhin von allen, deren Lebensjahre angegeben werden, ausdrücklich bemerkt, daß sie Söhne und Töchter zeugten. Und demnach läßt sich überhaupt nicht ersehen, ob der, dessen Zeugung jeweils erwähnt wird, gerade der Erstgeborene sei; im Gegenteil: weil es Band 16, S. 837unwahrscheinlich ist, daß die Urväter so lange Jahre hindurch entweder noch nicht geschlechtsreif oder ohne Gattin oder ohne Nachkommenschaft gewesen wären, so ist es auch unwahrscheinlich, daß die jeweils angeführten Söhne ihre Erstgeborenen gewesen wären. Vielmehr hat der Verfasser der heiligen Geschichte, da er beabsichtigte, an der Hand der Zeugungsfolgen unter Angabe der Zeitverläufe zu der Geburt und dem Leben Noes zu gelangen, in dessen Lebenszeit die Sündflut fällt, nur eben jene Zeugungen erwähnt, welche in die Reihenfolge der Abstammung einschlagen, nicht jene, welche für die Eltern die ersten gewesen.
Um allen Zweifel zu beseitigen, daß es sich wirklich so verhalten haben kann, will ich ein Beispiel einschalten, das eine solche Absicht und ihre Einwirkung auf Zeugungsberichte deutlicher machen kann. Wo der Evangelist Matthäus die Abstammung des Herrn dem Fleische nach an der Reihenfolge der Vorfahren dem Gedächtnis der Nachwelt überliefern will, beginnt er mit Abraham und sagt, in der Absicht, zunächst auf David zu gelangen6: „Abraham zeugte den Isaak“; warum sagt er nicht: den Ismael, den doch Abraham zuerst zeugte? „Isaak aber“, fährt er fort, „zeugte den Jakob“; warum sagt er nicht: den Esau, der doch Isaaks Erstgeborener war? Eben weil er über diese beiden nicht zu David hätte gelangen können, Darauf folgt: „Jakob aber zeugte den Judas und dessen Brüder“; war Judas etwa Jakobs Erstgeborener? „Judas zeugte den Phares und Zarat“; auch von diesen Zwillingen war keiner des Judas Erstgeborener, vielmehr hatte er vor ihnen bereits drei Söhne gezeugt. Der Evangelist hielt sich also in der Reihenfolge der Zeugungen lediglich an die, über welche er zu David und von da an sein weiteres Ziel gelangen konnte. Daraus ist zu ersehen, daß auch unter den Urmenschen vor der Sündflut nicht die Erstgeborenen, sondern jeweils die erwähnt wurden, über welche die Reihenfolge der Zeugungen ununterbrochen bis auf den Patriarchen Noe herabgeführt werden konnte; und so brauchen wir uns über die schwierige und unnötige Band 16, S. 838Frage wegen deren spät eintretender Geschlechtsreife nicht den Kopf zu zerbrechen.
Edition
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De civitate Dei (CCSL)
Caput XV: An credibile sit primi saeculi uiros usque ad eam aetatem, qua filios generasse referuntur, a concubitu continuisse.
Dicet ergo aliquis: ita ne credendum est hominem filios generaturum nec habentem propositum continentiae centum et amplius, uel secundum Hebraeos non multo minus, id est octoginta, septuaginta, sexaginta annos a concumbendi opere uacuisse, aut si non uacaret, nihil prolis gignere potuisse? haec quaestio duobus modis soluitur. aut enim tanto serior fuit pro portione pubertas, quanto uitae totius maior annositas; aut, quod magis uideo esse credibile, non hic primogeniti filii commemorati sunt, sed quos successionis ordo poscebat, ut perueniretur ad Noe, a quo rursus ad Abraham uidemus esse peruentum, ac deinde usque ad certum articulum temporis, quantum oportebat signari etiam generationibus commemoratis cursum gloriosissimae ciuitatis in hoc mundo peregrinantis et supernam patriam requirentis. quod enim negari non potest, prior omnibus Cain ex coniunctione maris et feminae natus est. neque enim illo nato dixisset Adam, quod dixisse legitur: adquisiui hominem per deum, nisi illis duobus ipse fuisset homo nascendo additus primus. hunc secutus Abel, quem maior frater occidit, praefigurationem quandam peregrinantis ciuitatis dei, quod ab inpiis et quodammodo terrigenis, id est terrenam originem diligentibus et terrenae ciuitatis terrena felicitate gaudentibus, persecutiones iniquas passura fuerat, primus ostendit. sed quot annorum erat Adam, cum eos genuit, non apparet. exinde digeruntur generationes aliae de Cain, aliae de illo, quem genuit Adam in eius successionem, quem frater occidit, et appellauit nomen illius Seth dicens, ut scriptum est: suscitauit enim mihi deus semen aliud pro Abel, quem occidit Cain. cum itaque istae duae series generationum, una de Seth, altera de Cain, has duas, de quibus agimus, distinctis ordinibus insinuent ciuitates, unam caelestem in terris peregrinantem, alteram terrenam terrenis tamquam sola sint gaudiis inhiantem uel inhaerentem, nullus de progenie Cain, cum dinumerata sit connumerato Adam usque ad octauam generationem, quot annorum fuisset expressus est, quando genuit eum, qui commemoratur post eum. noluit enim spiritus dei in terrenae ciuitatis generationibus tempora notare ante diluuium, sed in caelestis maluit, tamquam essent memoria digniores. porro autem Seth quando natus est, non quidem taciti sunt anni patris eius, sed iam genuerat alios; et utrum solos Cain et Abel, adfirmare quis audeat? non enim quia soli nominati sunt propter ordines generationum quas commemorare oportebat, ideo consequens uideri debet solos fuisse tunc generatos ex Adam. cum enim silentio coopertis omnium nominibus ceterorum legatur eum genuisse filios et filias, quota fuerit ista proles eius, quia praesumat adserere, si culpam temeritatis euitat? potuit quippe Adam diuinitus admonitus dicere, posteaquam Seth natus est: suscitauit enim mihi deus semen aliud pro Abel, quoniam talis erat futurus, qui inpleret illius sanctitatem, non quod ipse prior post eum temporis ordine nasceretur. deinde quod scriptum est: uixit autem Seth quinque et ducentos annos - uel secundum Hebraeos quinque et centum annos - et genuit Enos: quis possit nisi inconsideratus adseuerare hunc eius primogenitum fuisse? ut admirantes merito requiramus, quomodo per tot annos inmunis fuerit a conubio sine ullo proposito continentiae uel non genuerit coniugatus; quandoquidem etiam de ipso legitur: et genuit filios et filias, et fuerunt omnes dies Seth duodecim et nongenti anni, et mortuus est, atque ita deinceps, quorum anni commemorantur, nec filios filiasque genuisse reticentur. ac per hoc non apparet omnino, utrum, qui nominatur genitus, ipse fuerit primogenitus; immo uero, quoniam credibile non est patres illos aetate tam longa aut inpuberes fuisse aut coniugibus caruisse uel fetibus, nec illos eorum filios primos eis natos fuisse credibile est. sed cum sacrae scriptor historiae ad ortum uitamque Noe, cuius tempore diluuium factum est, per successiones generationum notatis temporibus intenderet peruenire, eas utique commemorauit, non quae primae suis parentibus fuerint, sed quae in propagationis ordinem uenerint. exempli gratia, quo id fiat apertius, aliquid interponam, unde nullus ambigat fieri potuisse quod dico. euangelista Matthaeus generationem dominicae carnis per seriem parentum uolens commendare memoriae, ordiens a patre Abraham atque ad Dauid primitus ut perueniret intendens: Abraham, inquit, genuit Isaac; cur non dixit Ismael, quem primitus genuit? Isaac autem, inquit, genuit Iacob; cur non dixit Esau, qui eius primogenitus fuit? quia scilicet per illos ad Dauid peruenire non posset. deinde sequitur: Iacob autem genuit Iudam et fratres eius; numquid Iudas primogenitus fuit? Iudas, inquit, genuit Phares et Zarat; nec istorum geminorum aliquis fuit primogenitus Iudae, sed ante illos iam tres genuerat. eos itaque tenuit in ordine generationum, per quos ad Dauid atque inde quo intenderat perueniret. ex quo intellegi potest, ueteres quoque homines ante diluuium non primogenitos, sed eos fuisse commemoratos, per quos ordo succedentium generationum ad Noe patriarcham duceretur, ne serae pubertatis illorum obscura et non necessaria quaestio nos fatiget.