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Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat (BKV)
3. Führt körperlicher Schmerz notwendig zum Tode des Fleisches?
Aber es gibt überhaupt keinen Körper, wenden sie ein, der dem Schmerze zugänglich und dabei unsterblich wäre. So? und das also wissen wir sicher? Woher denn? Man könnte doch noch die Frage aufwerfen, ob nicht die Dämonen gerade an ihrem Leibe Schmerz empfinden, wenn sie gestehen, daß sie von großen Qualen heimgesucht werden. Aber unsere Gegner erwidern, es handle sich um den irdischen Leib, genauer also um einen greifbaren und sichtbaren Leib oder, um es mit einem Worte zu sagen, um das Fleisch: es gebe kein Fleisch, das dem Schmerze zugänglich und doch unsterblich sei. Damit nun wird lediglich etwas behauptet, was sie durch den äußeren Sinn und die Erfahrung inne geworden sind. Sie wissen eben von keinem anderen als von sterblichem Fleisch; und das ist überhaupt das Auf und Nieder ihrer Vernünftelei: was sie nicht aus Erfahrung kennen, das gibt es für sie nicht. Denn ist es im Übrigen vernünftig, den Schmerz zum Beweise für den Tod zu machen, während er doch eher ein Kennzeichen des Lebens ist? Ich weiß wohl, es handelt sich Band 28, S. 1310hier um die Frage, ob ein Subjekt des Schmerzes immerdar leben könne; aber so viel ist doch sicher, daß alles, was Schmerz empfindet, wirklich lebt und daß es überhaupt nur in einem lebendigen Wesen einen Schmerz geben kann. Notwendig ist also nur, daß das Subjekt des Schmerzes lebt, nicht notwendig ist, daß der Schmerz tötet, wie ja denn nicht jeder Schmerz auch nur den sterblichen und darum natürlich einmal dem Tode verfallenden Leib tötet; und daß überhaupt ein Schmerz tödlich sein kann, hat in der Art der Verbindung der Seele mit dem irdischen Leib seinen Grund. Diese Verbindung ist eben derart, daß die Seele vor den äußersten Schmerzen weicht und aus dem Leibe entflieht; denn der Zusammenhalt zwischen den Gliedern und den Lebensbedingungen ist so gering, daß er nicht imstande ist, einen Ansturm auszuhalten, der großen oder den äußersten Schmerz mit sich bringt. Aber mit dem Leibe, wie er alsdann sein wird, wird die Seele noch überdies in einer Weise zusammengefügt sein, daß dieses Band, wie durch keine noch so lange Zeit gelöst, so durch keinen Schmerz zerrissen wird. Mag es also immerhin jetzt kein Fleisch geben, das dem Gefühl des Schmerzes zugänglich wäre, ohne zugleich sterblich zu sein, so wird doch alsdann das Fleisch von einer Beschaffenheit sein, die es jetzt nicht hat, wie auch der Tod von einer anderen Beschaffenheit sein wird als jetzt. Denn einen Tod gibt es auch dann, aber einen ewigen Tod: die Seele wird nicht leben können ohne Gott und wird die körperlichen Schmerzen nie los durch den Tod. Der erste Tod vertreibt die Seele wider ihren Willen aus dem Leibe, der zweite Tod hält die Seele wider ihren Willen fest im Leibe; beide Arten von Tod haben dies gemeinsam, daß die Seele dabei von ihrem eigenen Leibe etwas erduldet, was sie nicht will.
Diese Gegner richten ihr Augenmerk einseitig darauf, daß es hienieden kein Fleisch gibt, das dem Schmerze zugänglich und zugleich unsterblich wäre, und sie übersehen dabei, daß es doch etwas von der Art gibt, etwas, was noch über dem Leibe steht. Und das ist der Geist, der durch seine Anwesenheit den Leib belebt und leitet; und eben dieser Geist ist dem Schmerze zugänglich Band 28, S. 1311und kann doch nicht sterben. Hier haben wir ja also ein Wesen, das unsterblich ist, obwohl es Gefühl für den Schmerz hat. Genau das also, was jetzt, wir wissen es, beim Geiste aller Menschen zutrifft, wird seinerzeit auch beim Leibe der Verdammten zutreffen. Sehen wir jedoch genauer zu, so bezieht sich selbst das, was wir leiblichen Schmerz nennen, mehr auf die Seele. Denn der Seele ist es eigentümlich, Schmerz zu empfinden, nicht dem Leibe, auch dann, wenn die Ursache der Schmerzempfindung für sie vom Leibe kommt; sie empfindet dann den Schmerz an der Stelle, wo der Leib verletzt ist. Wir sprechen also vom schmerzenden Leib so wie wir vom fühlenden oder lebenden Leibe sprechen: in Wirklichkeit kann dem Leibe nur von der Seele her Schmerz erwachsen, so gut wie von der Seele aus dem Leibe Gefühl und Leben zugeht. Schmerz empfindet demnach die Seele mit dem Leib an der Stelle von ihm, wo sich etwas Schmerzerregendes zugetragen hat; sie empfindet aber auch, obwohl sie im Leibe ist, für sich allein Schmerz, wenn sie aus irgendeinem, äußerlich vielleicht gar nicht erkennbaren Grunde traurig ist, ohne daß dem Leibe etwas fehlt; sie vermag ferner Schmerz zu empfinden, auch wenn sie nicht im Leibe befindlich ist: jener Reiche in der Unterwelt hat doch wohl Schmerz empfunden, als er ausrief1: „Ich leide große Pein in dieser Flamme.“ Dagegen der Leib empfindet keinen Schmerz, wenn er entseelt ist, und auch beseelt keinen ohne die Seele. Wäre also die Schlußfolgerung vom Schmerz auf den Tod zutreffend, daß nämlich der Tod deshalb eintreten kann, weil auch der Schmerz sich einstellen konnte, so wird es eher der Seele zukommen zu sterben; denn sie in erster Linie ist es, die Schmerz empfindet. Da nun aber trotzdem gerade sie nicht sterben kann, so sagt uns die Schlußfolgerung vom Schmerz auf den Tod nichts, was uns zu der Annahme bestimmen würde, jene Leiber müßten deshalb dem Tode verfallen, weil sie sich in Peinen befinden werden. Allerdings behaupteten die Platoniker, daß Furcht und Begierde, Schmerz und Freude der Seele nur zuflössen aus dem Band 28, S. 1312irdischen Leib und den todverfallenen Gliedern; und Vergil sagt in demselben Sinne2: „Daher [nämlich aus den todverfallenen Gliedern des irdischen Leibes]die Furcht und Begier und der Schmerz wie die Freude.“ Aber ich habe sie schon im zwölften Buche3 dieses Werkes dabei ertappt, daß auch die nach ihnen von jeder Befleckung durch den Leib gereinigten Seelen eine unselige Gier trügen, womit sie von neuem in ihren Leib zurückzukehren verlangen. Wo aber für Begierde Raum ist, da offenbar auch für Schmerz. Denn enttäuschte Begier wandelt sich in Schmerz, gleichviel ob sie ihr Ziel nicht erreicht oder darum gebracht wird nach der Erreichung. Wenn also die Seele, die allein oder doch vornehmlich den Schmerz empfindet, gleichwohl eine ihrer Art entsprechende und ihr eigentümliche Unsterblichkeit besitzt, so ist der Schluß verfehlt, daß die Leiber deshalb sterben könnten, weil sie Schmerz empfinden werden. Und schließlich, falls es der Leib ist, der den Schmerz in der Seele bewirkt, warum kann er der Seele wohl Schmerz, aber nicht den Tod bringen? Offenbar deshalb, weil nicht notwendig das, was Schmerz verursacht, den Tod verursachen muß. Warum sollte es also unannehmbar sein, daß Feuerflammen jenen Leibern Schmerz verursachen können, ohne ihren Tod herbeizuführen, wenn doch der Leib seinerseits auch der Seele Schmerzempfindungen verursacht, ohne sie deshalb zum Tode zu nötigen. Demnach ist Schmerzempfindung kein zwingender Beweis für das Nachfolgen des Todes.
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De civitate Dei (CCSL)
Caput III: An consequens sit, ut corporeum dolorem sequatur carnis interitus.
Sed nullum est, inquiunt, corpus, quod dolere possit nec possit mori. et hoc unde scimus? nam de corporibus quis certus est daemonum, utrum in eis doleant, quando se adfligi magnis cruciatibus confitentur? quodsi respondetur terrenum corpus solidum scilicet atque conspicuum nullum esse, atque ut uno potius nomine id explicem, nullam esse carnem, quae dolere possit morique non possit, quid aliud dicitur, nisi quod sensu corporis homines et experientia collegerunt? nullam namque carnem nisi mortalem sciunt; et haec est eorum tota ratio, ut, quod experti non sunt, nequaquam esse posse arbitrentur. nam cuius rationis est dolorem facere mortis argumentum, cum uitae potius sit indicium? etsi enim quaerimus, utrum semper possit uiuere, certum tamen est uiuere omne quod dolet doloremque omnem nisi in re uiuente esse non posse. necesse est ergo ut uiuat dolens, non est necesse ut occidat dolor, quia nec corpora ista mortalia et utique moritura omnis dolor occidit, et ut dolor aliquis possit occidere, illa causa est, quoniam sic est anima conexa huic corpori, ut summis doloribus cedat atque discedat; quoniam et ipsa conpago membrorum atque uitalium sic infirma est, ut eam uim, quae magnum uel summum dolorem facit, non ualeat sustinere. tunc autem tali corpori anima et eo conectetur modo, ut illud uinculum, sicut nulla temporis longitudine soluetur, ita nullo dolore rumpatur. proinde etiamsi caro nunc talis nulla est, quae sensum doloris perpeti possit mortem que non possit, erit tamen tunc talis caro, qualis nunc non est, sicut talis erit et mors qualis nunc non est. non enim nulla, sed sempiterna mors erit, quando nec uiuere anima poterit deum non habendo nec doloribus corporis carere moriendo. prima mors animam nolentem pellit e corpore, secunda mors animam nolentem tenet in corpore; ab utraque morte communiter id habetur, ut quod non uult anima de suo corpore patiatur. adtendunt autem isti contradictores nullam esse nunc carnem, quae dolorem pati possit mortemque non possit, et non adtendunt esse tamen aliquid tale quod corpore maius sit. ipse quippe animus, cuius praesentia corpus uiuit et regitur, et dolorem pati potest et mori non potest. ecce inuenta res est, quae, cum sensum doloris habeat, inmortalis est. hoc igitur erit tunc etiam in corporibus damnatorum, quod nunc esse scimus in animis omnium. si autem consideremus diligentius, dolor, qui dicitur corporis, magis ad animam pertinet. animae est enim dolere, non corporis, etiam quando ei dolendi causa exsistit a corpore, cum in eo loco dolet, ubi laeditur corpus. sicut ergo dicimus corpora sentientia et corpora uiuentia, cum ab anima sit corpori sensus et uita, ita corpora dicimus et dolentia, cum dolor corpori nisi ab anima esse non possit. dolet itaque anima cum corpore in eo loco eius, ubi aliquid contingit ut doleat; dolet et sola, quamuis sit in corpore, cum aliqua causa etiam inuisibili tristis est ipsa corpore incolumi; dolet etiam non in corpore constituta; nam utique dolebat diues ille apud inferos, quando dicebat: crucior in hac flamma. corpus autem nec exanime dolet nec animatum sine anima dolet. si ergo a dolore argumentum recte sumeretur ad mortem, ut ideo mors possit accidere, quia potuit accidere et dolor, magis ad animam pertineret mori, ad quam magis pertinet et dolere. cum uero illa, quae magis dolere potest, non possit mori, quid momenti adfert cur illa corpora, quoniam futura sunt in doloribus, ideo etiam moritura esse credamus? dixerunt quidem Platonici ex terrenis corporibus moribundisque membris esse animae et metuere et cupere et dolere atque gaudere; unde Vergilius: hinc, inquit - id est ex moribundis terreni corporis membris - metuunt cupiunt que, dolent gaudent que. sed conuicimus eos in duodecimo huius operis libro, habere animas secundum ipsos ab omni etiam corporis labe purgatas diram cupiditatem, qua rursus incipiunt in corpora uelle reuerti. ubi autem potest esse cupiditas, profecto etiam dolor potest. frustrata quippe cupiditas, siue non perueniendo quo tendebat, siue amittendo quo peruenerat, uertitur in dolorem. quapropter si anima, quae uel sola uel maxime dolet, habet tamen quandam pro suo modo inmortalitatem suam, non ideo mori poterunt illa corpora, quia dolebunt. postremo si corpora faciunt, ut animae doleant, cur eis dolorem possunt, mortem uero inferre non possunt, nisi quia non est consequens, ut mortem faciat quod dolorem facit? cur ergo incredibile est ita ignes illis corporibus dolorem posse inferre, non mortem, sicut ipsa corpora dolere animas faciunt, quas tamen non ideo mori cogunt? non est igitur necessarium futurae mortis argumentum dolor.