Zweiter Artikel. Schwermut ist eine Wirkung der Trauer.
a) Dagegen scheint zu sein: I. Paulus (2. Kor. 7.), der da sagt: „Denn siehe, dies selbst daß ihr nach Gott traurig seid, wie viel Sorge hat das in euch gewirkt, wie viel Abwehr, wie viel Unwillen.“ Also scheint der Schmerz vielmehr aufzurichten. II. Die Trauer steht entgegen dem Ergötzen. Die Wirkung des Ergötzens aber ist Erweiterung. Also ist die Wirkung der Trauer vielmehr Engherzigkeit und nicht Schwermütigkeit. III. Paulus sagt (2. Kor. 2.): „Damit nicht etwa von größerer Trübsal verzehrt werde, wer derartig ist.“ Was aber schwerer wird, das wird nicht verzehrt. Auf der anderen Seite steht die Autorität vom Damascenus (2. de orth. fide 13.) und Nyssenus (de nat. hom. 19.)
b) Ich antworte, es werden den Leidenschaften der Seele manchmal Wirkungen beigelegt gemäß der Ähnlichkeit mit körperlichen Dingen; weil eben die Bewegungen des sinnlichen Begehrens ähnlich sind den rein natürllichen Bewegungen; — und so wird der Liebe zugeteilt das Glühen, der Ergötzung das Erweitern, der Trauer das Schwermachen. Denn man sagt vom Menschen, er sei beschwert; wenn er durch eine Last in der ihm eigenen Bewegung gehindert wird. Die Trauer nun wird verursacht von einem gegenwärtigen Übel; und ein solches beschwert die Seele aus diesem Grunde selber weil es hindert, daß die Seele das ge-lwollte Gut genieße. Ist nun die Macht des betrübenden Übels nicht so groß, daß nicht alle Hoffnung ausgeschlossen wird, ihm zu entgehen, so bleibt, insofern manin der Gegenwart nicht das Gewollte genießt, doch immer eine Bewegung zum Abweisen des Schädlichen hin. Wächst aber bis zu dem Maße die Gewalt des Übels, daß keinerlei Hoffnung bleibt, ihm zu entgehen; dann wird vollständig die innere Bewegung der Seele gehindert, so daß sie weder dahin noch dorthin sich zu wenden vermag. Und manchmal wird auch die äußere Bewegung gehindert, so daß der Mensch abgestumpft in sich bleibt.
c) I. Dieses Aufrichten kommt von der Trauer „gemäß Gott“, weil damit die Hoffnung verbunden ist des Nachlasses der Sünde. II. „Beengung“ und „Beschwerung“ kommt bei der Thätigkeit des sinnlichen Begehrens auf dasselbe hinaus. Denn dadurch daß der Geist beschwert wird, damit er nicht frei zum Äußeren sich wenden kann, wird er zu sich selbst zurückgezogen wie gleichsam in sich selbst beengt. III. Die Trauer verzehrt den Menschen, wenn sie den Geist so anfüllt, daß keine Hoffnung, das Übel zu vermeiden, übrig bleibt; und so ist es dasselbe wie das Beschweren. Denn in solchen figürlichen Ausdrücken können zwei nach ihrer natürlichen Bedeutung sich widersprechen, die doch nach einer Eigentümlichkeit, der gemäß sie im figürlichen Sinne gebraucht werden, auf dasselbe hinauskommen.
