Dritter Artikel. Das Übel der Schuld ist nicht Gegenstand der Furcht.
a) Dagegen sagt: I. Augustin (in Joan. tract. 9.): „Mit keuscher Furcht scheut der Mensch die Trennung von Gott,“ die doch von der Schuld herrührt nach Isai. 59.: „Euere Sünden haben geschieden zwischen euch und Gott.“ II. Cicero sagt (4. de Tuscul.): „Das fürchten wir, wenn es droht, worüber wir trauern, wenn es da ist.“ Wir können aber trauern über unsere Sünden. III. Die Hoffnung ist entgegengesetzt der Furcht. Die Hoffnung kann sich aber auf das Gute der Tugend richten nach Aristoteles (9 Ethic. 4.) und nach Galat. 5.: „Ich vertraue auf euch im Herrn; daß euch nichts Anderes gefällt.“ Also kann man die Schuld fürchten. IV. Die Scham ist eine Gattung der Furcht. Sie hat aber zum Gegenstande das Unehrbare; also die Schuld. Auf der anderen Seite sagt Aristoteles (2 Rhet. 5.): „Nicht alle Übel werden gefürchtet; z. B. wenn jemand ungerecht sein wird oder nachlässig.“
b) Ich antworte, die Furcht habe zum Gegenstande das mit Schwierigkeiten verknüpfte zukünftige Übel, was man mit Leichtigkeit nicht vermeiden kann; im Gegensatze zur Hoffnung. Was also in unserer Gewalt ist, das wird nicht gefürchtet; sondern furchtbar ist nur ein Übel, das eine Ursache hat.welche außerhalb unserer selbst sich findet. Die Schuld aber hängt von unserem Willen ab; und so hat sie nicht den Charakter des Furchtbaren. Weil jedoch der Wille von einer außen befindlichen Ursache zum Bösen hingeneigt werden kann, so kann danach eine Furcht herrschen vor dem Übel der Schuld, insofern diese äußere Ursache eine große Gewalt hat, um den Willen zu sich hinzuneigen. So z. B. kann jemand fürchten, in der Gesellschaft der Bösen zu bleiben, damit er nicht zum Sündigen verleitet werde. Eigentlich aber fürchtet dann der Mensch mehr die Verführung wie die wirkliche Sünde, insoweit diese nämlich freiwillig ist.
c) I. Die Trennung von Gott ist eine der Sünde folgende Strafe. II. Die Trauer und Furcht haben das gemeinsam, daß sie zum Gegenstande das Übel haben; jene freilich das gegenwärtige, diese das zukünftige. Die Trauer jedoch geht auf das Übel als solches ohne weitere Bestimmung; und ist deshalb in der Begehrkraft. Die Furcht aber geht auf das Übel mit Rücksicht auf Schwierigkeiten, die natürlich dadurch selber gehoben sind, daß etwas dem freien Willen unterliegt. Nicht also alles Künftige fürchten wir, was wir als Gegenwärtiges betrauern; sondern das schwere Übel. III. Die Hoffnung berücksichtigt das Gute; entweder an sich oder insofern es mit Hilfe anderer erreichbar ist. Also die Hoffnung kann sich auf den Tugendakt erstrecken, der in unserer Gewalt ist mit Hilfe der Gnade Gottes. Die Furcht aber erstreckt sich auf das Übel, welches unserer Macht nicht unterliegt; und deshalb ist ein gefurchtstes Übel immer von einer außenstehenden Ursache, während das gehoffte Gute sowohl von der inneren Ursache kommen kann, wie von einer äußeren. IV. Die Scham bezieht sich nicht auf das Unehrbare selber im inneren Akte der Sünde; sondern auf die Schande und den Schimpf, der von außen kommt.
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