Erster Artikel. Der Gegenstand der Furcht ist das Böse.
a) Dagegen sagt: I. Augustin (83 Qq. 33.): „Wir fürchten nichts außer damit wir das, was wir lieben, nicht verlieren, wenn wir es besitzen; oder daß wir es nicht erreichen, wenn wir dasselbe erhoffen.“ Was wir aber lieben, ist etwas Gutes. Also der Gegenstand der Furcht ist etwas Gutes. II. Aristoteles (2 Rhet. 5.): „Die Macht und der Vorrang vor anderen ist etwas Furchtbares.“ Macht und Vorrang aber ist etwas Gutes. III. In Gott kann kein Übel sein. Es steht aber geschrieben: „Fürchtet Gott, ihr, seine Heiligen.“ Ps. 33. Auf der anderen Seite sagt Damascenus (2. de orth. fide 12.): „Der Gegenstand der Furcht ist das zukünftige Übel.“
b) Ich antworte, die Furcht sei eine gewisse Bewegung im begehrenden Teile. Dem begehrenden Teile aber gehört es zu, etwas zu verfolgen oder es zu fliehen. (6 Ethic. 2.) Das Verfolgen oder Erstreben richtet sich auf das Gute, das Fliehen auf das Übel. Wo also eine Bewegung ist, die nach etwas hin geht oder etwas verfolgt; — da ist das Gute der Gegenstand. Wo eine Bewegung ist, die flieht; — da liegt ein Übel vor. Da nun Furcht ein Fliehen einschließt, so ist ihr Gegenstand etwas Übles. Die Beziehung zum Guten aber stützt sich bei der Furcht auf die Beziehung zum Übel: einmal, weil etwas aus dem Grunde ein Übel ist, daß es desGuten ermangelt. Wer also flieht vor dem Übel, weil es Übel ist, der flieht, weil dieses Übel des Guten beraubt, was die Liebe erstrebt; und so sagt Augustin: „Keine andere Ursache besteht für die Furcht als daß nicht das geliebte Gut verloren werde“. Dann, weil etwas an sich Gutes die Ursache des Übels sein kann, insoweit es mit seiner Kraft dem geliebten Gute zu schaden vermag; und danach richtet sich die Hoffnung auf das gehoffte Gut und auf den, durch dessen Beistand sie dasselbe erreichen kann; und so richtet sich die Furcht auf das Übel und ebenso auf das Gute, durch dessen Kraft das Übel zugefügt werden kann. Und so wird Gott vom Menschen gefürchtet, weil er Strafe zu verhängen vermag. So auch wird die Macht eines Menschen gefürchtet, zumal wenn sie eine belästigende oder eine ungerechte ist; denn sie kann sogleich schaden. Ähnlich fürchtet man, über einem anderen zu sein d. h. auf einen sich zu verlassen, so daß nämlich es in dessen Gewalt steht, uns zu schaden; wie jener, welcher ein Verbrechen mit weiß, gefürchtet wird, damit er es nicht offenbare.
c) Damit ist den Einwürfen genügt.
