Erster Artikel. Die Furcht zieht zusammen.
a) Zusammenzuziehen kommt der Furcht nicht zu. Denn: I. Dadurch werden die Wärme und die Lebensgeister nach innen zurückgezogen. Die Menge der Wärme und der Lebensgeister im Innern erweitert aber das Herz, so daß etwas kühn angegriffen wird, wie bei den Zornigen. Also ist Zusammenziehen keine Wirkung der Furcht. II. Es würde dieses Zusammenziehen bei der Menge von Wärme und Lebensgeistern um das Herz herum bewirken, daß jemand in Rufen und Schreien ausbricht; wie dies die von Schmerzen Getroffenen thun. Die Fürchtenden aber thun dies nicht, sondern schweigen vielmehr stille. III. Die Scham ist eine Gattung der Furcht. „Die Schamhaftigen aber erröten,“ sagt Cicero (4 Tuscul.), was ein Verbreiten der Wärme nach außen hin vielmehr bedeutet als ein Zusammenziehen nach innen. Auf der anderen Seite sagt Damascenus (3. de orth. fide 23.): „Die Furcht zieht zusammen.“
b) Ich antworte, die Bewegung im begehrenden Teile selber sei bei den Leidenschaften das bestimmende, formale Moment; die Veränderung im körperlichen Zustande das bestimmbare, materiale. Also gemäß der maßgebenden Kraft im begehrenden Teile vollzieht sich die Veränderung im körperlichen Zustande. Nun schließt, soweit es auf die sinnliche Bewegung im begehrenden Teile ankommt, die Furcht ein gewisses Zusammenziehen in sich ein. Und der Grund davon ist, daß die Furcht ausgeht von der Vorstellung eines drohenden Übels in der Einbildungskraft, welches schwer abgewiesen werden kann. Letzteres kann aber nur von Mangel an Kraft stammen, wie oben gezeigt worden. Je schwächer nun eine Kraft ist, auf desto weniger erstreckt sie sich. Und sonach geht von der Vorstellung in der Einbildungskraft, welche die Ursache der Furcht ist, aus ein gewisses Zusammenziehen im Begehren; wie wir auch bei den Sterbenden sehen, daß die Natur sich zurückzieht in das Innere wegen der Schwäche der Lebenskraft; und wann in einer Stadt die Bürger fürchten, so ziehen sie sich von den äußeren Teilen zurück, so viel sie können, in das Innere. Gemäß der Ähnlichkeit dieses Zusammenziehens, die zum sinnlichen Begehren gehört, folgt also bei der Furcht von seiten des Körpers das Zusammenziehen der Wärme und der Lebensgeister nach innen.
c) I. Wiewohl bei den Fürchtenden die Lebensgeister nach innen zu gesammelt werden, so ist dies doch nicht die nämliche Art Bewegung wie bei den Zornigen. Denn bei den Zornigen vollzieht sich wegen der Wärme und der Feinheit der Lebensgeister, die da hervorgehen aus der Sehnsucht nach Rache, innerlich die Bewegung der Lebensgeister von unten nach oben; und deshalb sammeln sich die Lebensgeister und die Wärme um das Herz herum, wonach bei den Zornigen bewirkt wird Kühnheit und Geeignetsein zum Angreifen. Bei den Furchtsamen aber bewegen sich wegen der Kälte, die schwerfällig macht und verdickt, die Lebensgeister von oben, den höheren Teilen, nach unten; und diese Kälte geht aus von der Vorstellung des Mangels in der Einbildungskraft; deshalb vervielfältigen sich nicht die Wärme und die Lebensgeister um das Herz herum, sondern fliehen vielmehr vom Herzen. Und deshalb sind die Fürchtenden nicht kühn im Angriffe, sondern ziehen sich zurück. II. Einem jeden Wesen, das Schmerz hat, ist es natürlich, alles möglichen Beistandes sich zu bedienen, damit es das Schädigende von sich abtreibe, wovon der Schmerz kommt. Deshalb sehen wir, wie schmerzerfüllte Tiere mit den Hörnern und Ähnlichem herumschlagen. Der größte Beistand aber für Alles kommt den sinnbegabten Wesen von der Wärme und den Lebensgeistern; und deshalb bewahrt im Schmerze die Natur innerlich die Wärme und die Lebensgeister, damit dies diene zum Zurücktreiben des schädigenden Einflusses, wonach Aristoteles (de problem. sect. 27.) schreibt, daß bei der Vervielfältigung der Wärme und der Lebensgeister innerlich notwendigerweise dies in Worte ausbrechen müsse; demnach könnten die Schmerzerfüllten kaum sich so weit zusammennehmen, daß sie nicht schreien. Bei denen aber, die fürchten, vollzieht sich die Bewegung der innerlichen Wärme und der Lebensgeister vom Herzen aus zu den niedrigeren Teilen, wie gesagt worden; und deshalb ist die Furcht dem Formieren von Worten zuwider, das sich vollzieht auf Grund des Ausgehens der Lebensgeister nach den oberen Teilen bis zum Munde. Die Furcht macht, daß man schweigt und „daß man zittert“, wie Aristoteles sagt. III. Die Todesgefahren sind nicht allein entgegen dem snnlichen Begehren, soweit dies der Auffassung folgt, sondern auch der reinen Natur. In derartigen Dingen also geschieht nicht nur ein Zusammenziehen von seiten des Begehrens, sondern auch von seiten der körperlichen Natur. Denn in jene Verfassung kommt das sinnbegabte Wesen, indem es die Wärme nach innen zusammenzieht infolge der Vorstellung des Todes in der Einbildungskraft, wie wann der Tod wirklich auf natürlichem Wege droht; „die den Tod fürchten, werden bleich,“ sagt Aristoteles. (4 Ethic. 9.) Jenes Übel aber, wovor die Scham Furcht hat, steht nicht der Natur entgegen, sondern nur dem sinnlichen Begehren, das der Auffassung folgt; und deswegen vollzieht sich das Zusammenziehen nur gemäß diesem sinnlichen Begehren, nicht aber gemäß der körperlichen Natur. Vielmehr ist die Seele gemäß der Auffassung in sich gleichsam sich zusammenfassend beschäftigt, um die Wärme und die Lebensgeister in Bewegung zu setzen; und demgemäß geschieht deren Ausgießung gewissermaßen nach außen, weshalb die sich schämen, erröten.
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