Erster Artikel. Der Zustand ist eine Eigenschaft.
a) Dies scheint nicht der Fall zu sein. Denn: I. Als „Zustand“ oder „Gewohnheit“ wird etwas bezeichnet; insoweit ein „Stand“ oder ein „Innewohnen“ darin eingeschlossen ist, also ein dauerhaftes „Haben“ oder ein Besitzen nach Augustin. (83 Qq. 73.) Wir haben oder besitzen aber auch Anderes; wie Geld, Kleider etc. Also kann man nicht Alles, was Zustand ist, einzig als Eigenschaft auffassen. II. Der Zustand wird unter den zehn Seinsarten verzeichnet, welche von etwas ausgesagt werden; wie auch Aristoteles ihn unter die Postprädikamente setzt. Nun ist aber eine andere dieser zehn Seinsarten die der „Eigenschaft“. Da also die eine unter ihnen nicht enthalten sein kann in der anderen, so ist der Zustand keine Eigenschaft. III. Jeder Zustand ist eine gewisse „Verfassung“ oder dispositio dessen, der ihn hat; sagt Aristoteles. (Praedicam. de qualit.) Eine „Verfassung“ aber ist nichts Anderes, wie die Ordnung dessen, was Teile hat, heißt es 5 Metaph. Also gehört jeder Zustand vielmehr zu jenem Bereiche der Aussagen, welche sich auf die Lage eines Dinges beziehen und nicht zum Bereiche der „Eigenschaften“ im Aussagen. Auf der anderen Seite definiert Aristoteles den Zustand als eine „Eigenschaft, die der Veränderung nur unter Schwierigkeiten unterliegt.“
b) Ich antworte; dieser Name „Zustand“ oder „Gewohnheit“ ist davon abgeleitet, daß jemand etwas in bleibender Weise hat, daß also es ihm wahrhaft innewohnt. Es hat aber der Mensch überhaupt etwas einmal, insofern er oder überhaupt irgend eine Sache etwas Anderes im Besitze hat; dann insofern etwas sich in sich selbst verhält oder Beziehung hat zu Anderem. Mit Rücksicht auf die erste Bedeutung nun, wonach das „Haben“ und demgemäß auch das bleibende Haben, was einen „Stand“ begründet, auf das sich richtet, was gehabt oder besessen wird, ist es gemeinsam verschiedenen Seinsarten. Und dementsprechend setzt Aristoteles das „Haben“ unter die Postprädikamente, unter jene Aussagen nämlich, welche verschiedenen Seinsarten der Dinge nachfolgen, wie dies der Fall ist z. B. wenn von den Dingen der „Gegensatz“ ausgesagt wird oder das Verhältnis von „früher und später“ in der Beziehung des einen zum anderen, etwa von Ursache und Wirkung. Nun kann man unter den Dingen, die in dieser Weise gehabt werden, also etwas Zuständliches begründen von seiten des Gegenstandes her, folgenden Unterschied machen. Es giebt 1. Dinge, welche so gehabt werden, daß zwischen dem Subjekt, das da hat, und dem, was gehabt wird, nichts vermittelt; wie dies z. B. der Fall ist, wenn jemand oder etwas eine Eigenschaft hat oder einen Umfang. Andere Dinge 2. giebt es, die in der Weise gehabt werden, daß nichts Anderes dazwischen liegt und vermittelt zwischen dem Habenden und dem Gehabten als die Beziehung allein, wie wenn z. B. jemand einen Freund hat oder einen Genossen. Endlich giebt es 3. Dinge, welche in der Weise gehabt werden, daß ein Moment existiert, das da zwischen dem Habenden und dem Gehabten vermittelt, nicht zwar wie Thätigsein und Leiden, Geben und Empfangen; jedoch nach Art eines gewissen thätigen Einflusses und dementsprechend auf der anderen Seite eines empfangenden leidenden Subjektes, insoweit nämlich das eine schmückt oder leitet, während das andere geschmückt oder geleitet wird. Deshalb sagt Aristoteles (5 Metaph.): „Als Zustand wird bezeichnet ein gewisses Thätigsein, welches den, der etwas hat, verbindet mit dem, was er hat;“ wie das mit den Dingen der Fall ist, die gewohnheitsmäßig um uns sind, die also mit Rücksicht auf uns, denen sie dienen, den Zustand oder den Bestand dessen bilden, was uns gehört. Und dadurch wird eine besondere Art von Aussagen und Dingen gebildet, welche wir unter den zehn Prädikamenten als das Prädikament des Zustandes, des Habitus, bezeichnen. Darüber sagt Aristoteles (l. c.): „Zwischen dem Kleide und dem, der es trägt, vermittelt der Zustand des Tragens.“ Wird jedoch der Zustand in der Weise aufgefaßt, insofern nämlich etwas sich zu sich selbst verhält, sich selbst hat oder von sich selbst aus in einer Beziehung steht zu Anderem, so ist, da diese Weise des Habens oder Besitzens immer gemäß einer Eigenschaft sich vollzieht, dieser Auffassung nach der Zustand eine Eigenschaft. Darüber sagt Aristoteles l. c.): „Zustand wird eine Verfassung genannt, welcher gemäß das betreffende Ding gut oder schlecht eingerichtet ist entweder an sich betrachtet oder mit Beziehung auf etwas Anderes;“ wie z. B. die Gesundheit ein Zustand ist. Und nach dieser Auffassung handeln wir jetzt über den Zustand. Also danach ist der Zustand eine Eigenschaft.
c) I. Dieser Einwurf geht aus von der allgemeinen Auffassung des „Haben“; denn danach ist es vielen Seinsarten gemeinsam. II. Dies ist die Auffassung des Zustandes, soweit etwas vermittelt zwischen dem, der hat, und dem, was er hat. Denn danach ist er eines von den zehn Seinsarten, gemäß denen ausgesagt wird, nämlich von den zehn Prädikamenten. III. Allerdings schließt die Verfassung eines Wesens die Ordnung der Teile ein. Aber dies geschieht in dreifacher Weise, wie Aristoteles da unmittelbar hinzufügt: entweder nämlich gemäß dem Orte; und damit sind gemeint alle körperlichen Verfassungen, so daß hier dann das Prädikament der „Lage“ gilt; danach wird ausgesagt, ein Wesen habe diese oder jene „Lage“; — oder gemäß dem Vermögen; und damit sind bezeichnet alle jene Verfassungen, welche in einer gewissen Vorbereitung und einem gewissen Geeignetsein bestehen, wie das nicht thatsächlich angewendete Wissen und der Anfang oder die noch nicht vollendete Tugend; — oder endlich gemäß der Gattung des inneren Wesens; und damit sind bezeichnet die zur thatsächlichen Vollendung gelangten Verfassungen wie das thatsächlich angewandte Wissen und die vollendete Tugend.
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