Vierter Artikel. Das Bestehen von Zuständen ist etwas Notwendiges.
a) Dies scheint nicht der Fall zu sein. Denn: I. Durch die Zustände ist etwas in guter oder schlechter Verfassung für etwas; „gut“ oder „schlecht“ aber ist etwas kraft seiner Wesensform; denn durch seine Wesensform ist etwas gut, gleichwie es durch dieselbe Sein hat. Also ist dazu kein Zustand erforderlich. II. Da Zustände Principien für Thätigkeiten sind, so ist mit ihnen nichts Anderes erreicht als das, wozu schon die Vermögen genügen, die ja ihrem Wesen nach gleichfalls Principien des Thätigseins sind. III. Wie das „Vermögen“ sich zum Guten und Schlechten verhält, so auch der „Zustand“; und wie das „Vermögen“ nicht immer thätig ist, so ist dies auch nicht immer der „Zustand“ oder die Gewohnheit. Also sind Zustände vollständig überflüssig. , Auf der anderen Seite sind nach Phys. 7. „Zustände dazu vorhanden, damit sie vollenden.“ Da also die Vollendung einem jeden Dinge im höchsten Grade notwendig ist, insoweit sie nämlich den Charakter des Zweckes trägt, so sind notwendig die Zustände.
b) Ich antworte, der Zustand schließe eine Verfassung in sich ein unter Beziehung auf die Natur des Dinges und auf die Thätigkeit oder den Zweck desselben, wonach das betreffende Ding gut oder schlecht eingerichtet ist. Dazu aber daß etwas es notwendig hat, mit Beziehung auf etwas Anderes in die rechte Verfassung gesetzt zu werden, ist dreierlei erforderlich: 1. daß jenes Ding, welches eine solche Verfassung erhalten und jenes, mit Beziehung worauf es eine solche Verfassung in sich aufnehmen soll, voneinander verschieden seien und so zwischen beiden die Beziehung sei wie zwischen Vermögen und Thätigsein. Wo also in einer Natur keine Zusammensetzung ist aus Vermögen und Thätigsein, wo vielmehr diese Natur selbst Thätigsein und somit ihr eigener Zweck und ihre eigene Vollendung ist, da besteht kein Zustand und keine besondere Anpassung. Es wird 2. erfordert, daß jenes Ding, welches vermögend ist mit Rücksicht auf etwas Anderes, inverschiedener Weise bestimmt und bethätigt werden kann und nach verschiedenen Seiten. Wo also die Natur eines Dinges wohl Vermögen für das Thätigsein einschließt, jedoch nur in ganz bestimmter einheitlicher Weise bethätigt werden kann; da bedarf es wiederum keines weiteren Zustandes, um die Bethätigung und Bestimmung nach einer ganz bestimmten Seite hin zu lenken. Da also, um ein Beispiel anzuführen, der Himmelskörper wohl aus Stoff und einer Wesensform zusammengesetzt ist, dieser Stoff aber kein Vermögen einschließt, um der bestimmenden Kraft einer anderen Wesensform zu unterliegen, wie der Stoff der vergänglichen, d. h. dem Entstehen und Vergehen unterworfenen Dinge, wo aus dem einen das andere wird und immer der Ur-Stoff der nämliche bleibt; — so hat da, im Himmelskörper, ein weiterer Zustand oder eine weitere innere Verfassung keine Stelle; denn nur zu einer einzigen allseitig bestimmten Bewegung hat der Himmelskörper ein Vermögen. Erfordert wird 3. ein Zustand da, wo mehrere Einflüsse sich vereinigen müssen, um das betreffende Subjekt in die richtige Verfassung mit Rücksicht auf eine jener Kräfte zu versetzen, von denen aus es vollendet oder bethätigt werden kann; und wo diese Einflüsse in verschiedener Weise gegeneinander abgemessen werden müssen, auf daß das Subjekt entweder in eine gute oder schlechte Verfassung rücksichtlich seiner Wesensform oder seines Thätigseins gesetzt werde. Und danach bezeichnen wir jene einfachen Eigenschaften der Elemente, die gemäß nur einer und zwar allseitig bestimmter Weise den Naturen der Elemente zukommen, nicht als Zustände oder Verfassungen, sondern als „einfache Eigenschaften.“ Die Gesundheit aber und die Schönheit und Ähnliches nennen wir „Zustände“, weil sie ein gegenseitiges Abmessen vieler Einflüsse einschließen. Deshalb sagt Aristoteles (5 Metaph.): „Der Zustand ist eine gewisse Verfassung im betreffenden Dinge“; und: „Verfassung eines Dinges will bezeichnen die Ordnung dessen oder in dem, was Teile hat, entweder gemäß dem Orte oder gemäß den Vermögen oder gemäß der inneren Natur.“ Weil also viele Dinge in der Lage sind, daß zu der Herstellung und Entwicklung ihrer Natur oder ihrer Thätigkeit notwendig mehrere Einflüsse sich vereinigen müssen, welche in verschiedener Weise gegeneinander abzumessen sind, deshalb ist auch das Bestehen von Zuständen etwas Notwendiges.
c) I. Allerdings wird durch die Wesensform die Natur eines Dinges eine vollständige, thatsächlich zu existieren geeignete; aber bereits damit das Subjekt oder der Stoff in eine gewisse Beziehung zu dieser Form gebracht werde, bedarf es einer Vorbereitung, also einer Verfassung oder Ordnung der Teile in ihm. Nun hat aber jede dieser Formen noch weitere Beziehung Zur Thätigkeit, die da Zweck oder doch der Weg zum Zwecke ist. Hat also eine solche Form nur eine, allseitig bestimmte Thätigkeit, so bedarf es keiner weiteren Verfassung in ihr, damit sie thätig sei. Ist es aber eine — bestimmende Wesensform, welche verschiedenartig wirken kann, wie die Seele z. B., so muß sie zu bestimmtem Thätigsein in die richtige Verfassung gebracht werden durch einige Zustände. II. Die Naturkräfte bedürfen keiner weiteren, vervollständigenden Zustände; weil sie Vermögen sind, die für ihr Thätigsein die ganz bestimmte Richtung in sich tragen. Handelt es sich aber um Vermögen, von welchen verschiedenartige Thätigkeiten ausgehen können, so bedürfen sie, um in einer bestimmten Richtung thätig zu sein, mancherlei Zustände, die sie für das Thätigsein vollenden. III. Nicht der nämliche Zustand ist auf Gutes und Schlechtes gerichtet, wie dies unten erklärt werden wird. Wohl aber ist das nämliche Vermögen auf Gutes und Schlechtes gerichtet und bedarf eben deshalb solcher Zustände, die seine Thätigkeit auf das Gute hin richten.
