Dritter Artikel. Glaube, Hoffnung und Liebe sind die drei theologischen Tugenden.
a) Dementgegen wird geltend gemacht: I. Die theologischen Tugenden verhalten sich zur göttlichen Seligkeit wie die Hinneigung der Natur zu dem ihr entsprechenden Zwecke. Unter allen den Tugenden aber, die auf den der Natur entsprechenden Zweck gerichtet sind, wird nur eine verzeichnet, die mit der Natur selber gegeben ist; nämlich das Verständnis der Grundprincipien, was jeder Mensch mit rein natürlicher Kraft aus der Natur schöpft. Also ist auch nur eine theologische Tugend notwendig. II. Die theologischen Tugenden sind vollkommener als die in der Vernunft und die moralischen. Der Glaube aber ist unter den Zuständen in der Vernunft etwas weniger wie Tugend; die Hoffnung desgleichen ist etwas weniger wie Tugend, denn sie ist eine Leidenschaft. Also darf man diese beiden nicht als theologische Tugenden hinstellen. III. Die theologischen Tugenden lenken den Menschen unmittelbar zu Gott hin. Dazu genügt aber eine Tugend im wesentlich vernünftigen Teile und eine andere im begehrenden Teile; denn von den Sinnen kann nicht die Rede sein, wo es sich unmittelbar um den Zweck in Gott selber handelt. Also giebt es nur zwei theologische Tugenden. Auf der anderen Seite sagt Paulus (1. Kor. 13.): „Nun bleiben diese drei: Glaube, Hoffnung, Liebe.“
b) Ich antworte, diese Tugenden ordnen den Menschen in der nämlichen Weise zum übernatürlichen Zwecke hin, wie er durch die mit der Natur gegebene Hinneigung zu dem seiner Natur entsprechenden Zwecke im gebührenden Verhältnisse steht. Letzteres aber geschieht gemäß zweierlei: 1. gemäß der Vernunft, insoweit dieselbe in sich enthält die ersten allgemeinsten Principien, die wir durch das natürliche Licht der Vernunft erkennen und von denen die Vernunft in ihrem Schließen ausgeht, sowohl im Bereiche des rein Beschaulichen oder Spekulativen als auch in dem was auf Thätigkeit hinzielt; — 2. gemäß der Geradheit des Willens, der nach dem vernunftgemäßen. Guten trachtet. Diese zwei Dinge aber genügen nicht für die Beziehung zur übernatürlichen Seligkeit. Denn nach. 1. Kor. 2. „hat das Auge nicht gesehen und das Ohr nicht gehört; und in des Menschen Herz stieg es nicht hinauf was Gott denen bereitet hat, die Ihn lieben.“ Also mit Bezug auf Beides mußte Gott etwas Übernatürliches geben, sollte anders der Mensch Beziehung erhalten zum übernatürlichen Zwecke. Und mit Rücksicht auf die Vernunft nun werden dem Menschen zum natürlichen Lichte hinzuverliehen gewisse übernatürliche Principien, welche mit dem Lichte von Gott her erfaßt werden; und das sind die Glaubensgeheimnisse, auf die der Glaube sich richtet. Was den Willen betrifft, so muß dieser hingeordnet werden zu jenem übernatürlichen Zwecke sowohl betreffs der Bewegung der Absicht, die auf ihn, den Zweck, hingeht wie auf etwas, was möglich ist, zu erreichen; und da ist die Hoffnung; — als auch betreffs einer gewissen geistigen Einigung, vermittelst deren der Wille gleichsam die Form und die bestimmende Kraft dieses Zweckes in sich hat; und das geschieht durch die Liebe. Denn das Begehren eines jeden Dinges ist von Natur aus in Bewegung und strebt nach dem seiner Natur entsprechenden Zwecke; und diese Bewegung kommt her von einer gewissen Gleichförmigkeit des Dinges mit seinem Zwecke.
c) I. Die Vernunft bedarf der geistigen Erkenntnisformen, der Ideen, damit sie vermittelst und kraft deren erkenne; und deshalb muß in ihr ein mit der Natur gegebener Zustand sein für das Festhalten der allgemeinsten Grundprincipien, der dann dem Vermögen hinzugefügt wird. Die Natur des Willens aber genügt im Bereiche der Natur sowohl um den Zweck zu beabsichtigen, als auch daß der Wille gleichförmig sei mit ihm. Im Bereiche des Übernatürlichen aber genügt dies nicht; und so muß sowohl zur Natur des Vernunft- wie des Willensvermögens ein gewisser Zustand hinzugefügt werden. II. Glaube und Hoffnung bringen eine Unvollkommenheit mit sich. Denn der Glaube berücksichtigt das, was nicht erscheint, also nicht gewußt wird; und die Hoffnung geht auf das, was man nicht besitzt. Glauben und Hoffnung stehen also rücksichtlich dessen, was menschlicher Gewalt unterworfen ist, unter der Tugend. Glauben und Hoffnung aber in sich besitzen rücksichtlich dessen, was alles menschliche Vermögen übersteigt; — das ist erhaben über alle menschliche Kraft. „Das Schwache, was von Gott kommt, das ist stärker als die Menschen“ heißt es deshalb 1. Kor. 1. III. Das Begehren muß einerseits in Bewegung sein zum Zwecke hin; und es muß andererseits, damit es selbständig sei, innerhalb seiner selbst die Form, den Eindruck des Zweckes tragen, ihm gleichförmig sein. Und so sind im Willen zwei theologische Tugenden: Die Hoffnung und die Liebe.
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