Vierter Artikel. Die Belohnungen werden gebührenderweise aufgezählt.
a) Dies scheint nicht. Denn: I. Im „Reiche der Himmel“ sind alle diese Belohnungen enthalten. Also waren die späteren Belohnungen nicht notwendig. II. In der ersten und achten wird das Reich der Himmel als Lohn gesetzt. Also konnte dies in allen übrigen geschehen. III. In den Seligkeiten geht es von unten nach oben gemäß Augustin (I. c.); in den Belohnungen von oben nach unten; denn der Besitz der Erde ist etwas Minderes wie das Himmelreich. Das paßt aber nicht. Also unzulässig ist die Aufzählung der Belohnungen bei Matth. 5. Auf der anderen Seite steht die Autorität des Herrn selber.
b) Ich antworte, die Belohnungen, wie sie hier aufgezählt werden, entsprechen durchaus der Beschaffenheit der Seligkeiten gemäß den drei Arten Seligkeit, die wir oben erwähnten. Denn die drei ersten Seligkeiten berücksichtigen das Zurückziehen von dem, worin das ergötzliche vergnügliche Leben die Seligkeit findet. Der Mensch nämlich hat das natürliche Verlangen nach Seligkeit. Anstatt sie aber in Gott zu suchen, wo sie wahrhaft zu finden ist, sucht er sie im Zeitlichen und Vergänglichen. Die Menschen nämlich suchen im Äußerlichen, in Reichtum und Ehre, eine gewisse Auszeichnung und einen gewissen Überfluß. Beides aber enthält das Reich der Himmel, wodurch der Mensch Überfluß und größte Auszeichnung in Gott erlangt; und deshalb verheißt der Herr den Armen im Geiste, die nicht hier auf Erden, im Äußerlichen, Reichtum und Ehre suchen, himmlischen Reichtum und himmlische Ehre. Sodann suchen wilde und zornmütige Menschen in Streit und Krieg Sicherheit und Muhe dadurch, daß sie ihre Feinde vernichten. Deshalb verheißt Gott den Sanftmütigen, die also nicht vom Zeitlichen her Sicherheit erwarten, den ruhigen Besitz „des Erdreiches der Lebendigen“, wodurch die Unverrückbarkeit der ewigen Güter ausgedrückt wird. Die Menschen suchen ihren Trost in der Befriedigung ihrer Begierlichkeiten. Deshalb verspricht der Herr den Traurigen vollen Lebenstrost. Die beiden folgenden Seligkeiten gehören den Werken des praktisch thätigen Lebens an, die den Menschen in Beziehung setzen zum Nächsten. Von diesen Werken lassen sich einzelne Menschen ablenken durch allzu große ungeregelte Liebe zum eigenen Gute; und deshalb teilt der Herr diesen Seligkeiten gerade jene Güter als Belohnungen zu, wegen deren sich die Menschen von ihnen, den Seligkeiten, abziehen lassen. Denn die Menschen verlassen den Pfad der Gerechtigkeit, und anstatt das Geschuldete zu erstatten, rauben sie fremdes Gut; damit sie mit zeitlichen Gütern sich anfüllen. Und deshalb verheißt der Herr den nach Gerechtigkeit Hungernden Sättigung. Ebenso verlassen manche die Werke der Barmherzigkeit, damit sie nicht Pein haben beim Anblicke fremden Elends. Und deshalb verheißt der Herr den Barmherzigen Barmherzigkeit, vermittelst deren sie werden befreit werden von allem Elende. Die zwei letzten Seligkeiten gehören zum beschaulichen Leben; und deshalb werden Belohnungen verheißen, die den Seelenverfassungen ähnlich erscheinen, welche als Verdienste aufgeführt sind. Denn die Reinheit des Auges bereitet dazu vor, klar zu sehen; denen also, die reinen Herzens sind, wird die göttliche Anschauung versprochen. Frieden aber stiften in sich selbst oder zwischen anderen offenbart, daß man Nachahmer Gottes ist, welcher der Gott des Friedens und der Einigkeit genannt wird. Und deshalb ist als Belohnung die Gotteskindschaft gesetzt d. h. die vollendete Einigung mit Gott vermöge der höchst vollkommenen Weisheit.
c) 1. Chrysostomus (l. c.) sagt diese Belohnungen seien in der thatsächlichen Wirklichkeit eine, die ewige Seligkeit nämlich, welche die menschliche Vernunft nicht in sich faßt; und demgemäß mußte sie durch verschiedene Güter beschrieben werden, die uns bekannt sind unter Beobachtung des richtigen Verhältnisses zwischen Verdiensten und Belohnungen. II. Die achte Seligkeit ist eine gewisse Bestätigung und Zusammenfassung aller Seligkeiten; und deshalb gebühren ihr alle Belohnungen insgesamt, so daß der heilige Text wieder zum Anfange zurückkehrt, damit man verstehe, es sollen nun alle Belohnungen zusammen ausgedrückt werden. Oder nach Ambrosius wird den Armen im Geiste das Himmelreich versprochen mit Rücksicht auf die Herrlichkeit der Seele; denen, die im Körper Verfolgung leiden mit Rücksicht auf die Herrlichkeit des Leibes. III. Die Belohnungen verhalten sich noch so zu einander, daß die eine zur anderen immer etwas hinzufügt. Denn mehr ist es: Besitzen das Erdreich der Herrlichkeit des Himmels, als bloß es haben; Vieles nämlich haben wir, was wir nicht fest und friedlich besitzen. Mehr ist es wieder: Im Himmelreiche Trost zu finden, als bloß es haben und besitzen; denn Vieles besitzen wir mit Bedauern. Mehr ist es, gesättigt zu sein, als bloß Trost zu finden; denn Sättigung will sagen: Überfluß des Trostes. Die Barmherzigkeit aber überragt wieder die Sättigung, daß nämlich der Mensch mehr empfängt als er verdient hat und ersehnen konnte. Und wieder mehr ist es, Gott zu schauen, wie Er ist; wie jener größer ist, der am Hofe des Königs nicht nur speist, sondern auch dabei das Antlitz des Königs sieht. Die höchste Würde aber im Hause des Königs hat der Sohn des Königs.
