Zweiter Artikel. Mit Recht werden die läßlichen Sünden durch Holz, Heu und Spreu bezeichnet.
a) Es geschieht dies nicht mit Recht. Denn: I. Holz, Heu und Spreu sollen aufgebaut werden über dem geistigen Fundamente. Die läßlichen Sünden aber sind außerhalb des geistigen Baues; wie falsche Meinungen außerhalb der Wissenschaft sind. II. Jener, der darauf aufbaut „Holz, Heu und Spreu,“ soll heil sein, „gleichsam vermittelst des Feuers“. Jener aber, der läßliche Sünden hat, wenn er im Zustande der Todsünde stirbt, wird nicht heil; auch nicht vermittelst des Feuers. Also werden mit diesen Worten zu Unrecht die läßlichen Sünden bezeichnet. III. Nach dem Apostel giebt es andere, die „Gold, Silber und Edelsteine“ aufbauen, nämlich die Liebe Gottes, die des Nächsten und gute Werke. Diese aber, die dies thun, begehen ebenfalls läßliche Sünden nach Joh. 1, 8.: „Wenn wir sagen, wir hätten keine Sünde, so verführen wir uns selbst.“ Also drücken diese drei Dinge nicht die läßlichen Sünden aus. IV. Weit mehr Unterschiede und Stufen als drei sind bei der läßlichen Sünde; also ist die genannte Bezeichnung unbrauchbar. Auf der anderen Seite sagt der Apostel (I. Kor. 3.): „Der da aufbaut Holz, Heu und Spreu, wird gerettet, wird heil sein; jedoch gleichsam vermittelst des Feuers.“ Also er wird Strafe tragen, aber keine ewige. Die zeitliche Strafe aber gehört recht eigentlich der läßlichen Sünde an. Also bezeichnen diese drei Dinge die läßlichen Sünden.
b) Ich antworte; manche verstanden unter dem gelegten Fundamente den noch formlosen, d. h. ohne die Liebe bestehenden Glauben; unter dem Gold, Silber und Edelgestein, welche darauf aufgebaut werden, die guten Werke; unter dem „Holz, Heu und Spreu“ aber, was andere darauf aufbauen, die Todsünden. Das mißbilligt aber Augustin (de de fide et operib. c. 15.). Denn der Apostel sagt Galat. 6., daß, wer die Werke des Fleisches thut, das Reich Gottes nicht sehen wird; — hier aber wird „jener, der Holz, Heu und Streu aufbaut, gerettet sein.“ Andere also meinen, Holz, Heu und Spreu bezeichneten hier die guten Werke, die aufgebaut werden auf dem geistigen Fundamente, denen jedoch sich hinzumischen einige läßliche Sünden. So z. B. mischt sich mit der Verwaltung der Familienangelegenheiten, die ja an und für sich etwas Gutes ist, oft überflüssige Liebe zur Frau, zu den Kindern etc., immer freilich unter Gott, so daß trotz dieser Liebe der Mensch nichts gegen Gott thun möchte. Offenbar aber beziehen sich alle guten Werke auf die Liebe Gottes und des Nächsten; und so werden sie ausgedrückt durch: Gold, Silber und Edelgestein; nicht durch Holz, Heu und Spreu. Deshalb muß man sagen, daß die läßlichen Sünden selber, die sich denen beigesellen, welche das Irdische besorgen, durch „Holz, Heu und Spreu“ ausgedrückt werden. Wie nämlich dergleichen im Hause aufgesammelt wird, ohne daß es zur Substanz des Hauses gehört; und wie es verbrannt werden kann, ohne daß das Haus mitbrennt; so können die läßlichen Sünden im Menschen vervielfältigt werden, und der geistige Bau bleibt trotzdem. Für sie leidet der Mensch Leid und Trübsal in diesem Leben und das Fegfeuer in jenem; und doch folgt am Ende das Heil.
c) I. Die läßlichen Sünden werden nicht gerade über dem geistigen Fundamente aufgebaut; sondern neben demselben. So sagt ja auch der Psalmist (136.): „Über den Flüssen Babylons saßen wir,“ d. i. neben. Denn die läßlichen Sünden reißen den geistigen Bau nicht nieder. II. Wer „Holz, Heu und Spreu über das geistige Fundament aufbaut;“ ist gesagt. Und dieses Fundament ist nicht der formlose Glaube, sondern der in Liebe geformte nach Ephes. 3.: „In der Liebe gewurzelt und begründet.“ Wer also im Zustande der Todsünde stirbt, kann zwar läßliche Sünden, „Holz, Heu, Spreu“ haben; aber dieselben stehen nicht auf dem Fundamente der Liebe. III. Wer von der Sorge um das Zeitliche losgelöst ist, begeht zwar ebenfalls läßliche Sünden; dieselben werden aber durch das Feuer der Liebe bald wieder getilgt. Diese also bauen nicht darüber „Holz, Heu und Spreu;“ denn wenig Läßliches bleibt in ihnen. Die läßlichen Sünden aber derer, die mit irdischen Sorgen sich befassen, bleiben länger; denn sie tilgen dieselben nicht so leicht und schnell aus durch die Glut der Liebe. IV. Alle Stufen der läßlichen Sünden lassen sich auf drei, den Anfang nämlich, den Fortschritt und das Ende zurückführen. „Alles ist in diesen drei enthalten“ sagt Aristoteles. (I. de coelo). Das Holz, das länger brennt, bezeichnet jene läßlichen Sünden, welche länger bleiben; — die Spreu, die am schnellsten verbrannt ist, jene läßlichen Sünden, die schnell getilgt werden; — das Heu steht in der Mitte. Denn je mehr die läßlichen Sünden Anhänglichkeit an das Zeitliche in sich schließen, desto schwerer sind sie und desto langsamer brennen sie.
