Zweiter Artikel. Das Gesetz des Neuen Bundes rechtfertigt.
a) Dies scheint nicht. Denn: I. Nur wer dem Gesetze Gottes gehorcht, ist gerechtfertigt, nach Hebr. 5.: „Er ist geworden Allen, die Ihm gehorchen, der Urheber des ewigen Heiles.“ Das aber bewirkt nicht das Evangelium; denn Rom. 10. heißt es: „Nicht Alle gehorchen dem Evangelium.“ II. Paulus beweist vom Alten Gesetze, es hätte nicht gerechtfertigt, weil „das Gesetz den Zorn wirkt; denn wo kein Gesetz, da ist auch keine Übertretung.“ (Röm. 4.) Viel größere Übertretungen oder Sünden aber hat das Evangelium veranlaßt; 5>enn größere Strafe verdient, der nach dem Neuen Bunde sündigt, wie Paulus sagt Hebr. 10.: „Wer das Gesetz Moses übertritt, muß ohne Gnade sterben; um wie viel schwerere Strafen aber wird erdulden, der den Sohn Gottes mit Füßen getreten hat?“ III. Rechtfertigen ist die Gott eigene Wirkung, nach Rom. 8.: „Gott ist es, der gerecht macht.“ Gott aber ist der Urheber des Alten und des Neuen Bundes. Also rechtfertigt dieser nicht mehr als jener. Auf der anderen Seite heißt es Röm. 1.: „Ich erröte nicht vor dem Evangelium. Denn die Kraft Gottes ist zum Heile jedem, der da glaubt.“
b) Ich antworte, die Gnade des heiligen Geistes im Innern sei an erster Stelle das Gesetz des Neuen Bundes; und mit Bezug darauf rechtfertigt das Gesetz. Deshalb sagt Augustin (I. c. cap. 17.): „Da,“ im Alten Testament, „ist das Gesetz außen hingesetzt, damit die Ruchlosen dadurch geschreckt werden; hier,“ im Neuen Testament, „ist es innerlich eingeprägt, damit es rechtfertige.“ Dann sind im Neuen Bunde die Glaubenswahrheiten und Tugendvorschriften aufgezeichnet an zweiter Stelle; und mit Bezug darauf rechtfertigt es nicht. Deshalb sagt Augustin zu 2. Kor. 3, 6., unter dem Buchstaben sei verstanden die äußere Schrift, wie sie das Evangelium enthält; sie tötet, wenn nicht die innere Gnade da ist.
c) I. Was der Einwurf sagt, gilt vom vorbereitenden Elemente im Gesetze des Neuen Bundes; — nicht von dem, was in ihm wesentlich ist. II. Die Gnade des Neuen Testamentes steht dem Menschen wohl bei, daß er nicht sündige. Aber nicht so befestigt sie ihn im Guten, daß der Mensch nicht sündigen könne; das gehört zum Stande der Herrlichkeit. Wer also, nachdem er die Gnade des Neuen Bundes empfangen, sündigt, der verdient als Verächter größerer Gnaden schwerere Strafe. Deshalb aber kann nicht gesagt weiden, der Neue Bund wirke Zorn; weil er, so viel es auf ihn ankommt, hinreichenden Beistand leiht, daß man nicht sündige. III. Das Alte und das Neue Gesetz hat Gott gegeben, aber je in anderer Weise. Denn das Alte Gesetz gab Er als ein auf steinerne Tafeln aufgeschriebenes; das Neue schrieb Er in die Tafeln des Herzens. (2. Kor. 3.) Deshalb sagt Augustin (l. c. c. 18.): „Jenen Gesetzesbuchstaben da (des Alten Bundes) nennt Paulus ein außerhalb des Menschen geschriebenes Gesetz, den Dienst des Todes und der Verdammnis. Diesen aber (des Neuen Bundes) nennt er den Dienst des Geistes und der Gerechtigkeit. Denn kraft der Gaben des heiligen Geistes wirken wir Gerechtigkeit und werden Wir von durch die Sünde verdienter Verdammnis befreit.“
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