Zweiter Artikel. Das Bekennen des Glaubens ist zum Heile notwendig.
a) Dagegen spricht: I. Es kann ohne das äußere Bekenntnis der Zweck der Tugend des Glaubens erreicht werden, der da ist die Vereinigung der menschlichen Vernunft mit der göttlichen Wahrheit. Also ist das äußere Bekenntnis überflüssig. II. Durch das äußere Bekenntnis des Glaubens macht der Mensch seinen Glauben den anderen bekannt. Das haben aber nur jene nötig, die andere unterrichten müssen. III. Was andere ärgert und verwirrt, kann keine Notwendigkeit sein für das ewige Heil; denn Paulus sagt (1. Kor. 10.): „Ihr sollt nicht beleidigen oder ärgern weder die Juden noch die Heiden noch die Kirche Gottes.“ Das Bekenntnis des Glaubens aber ist oft anderen ein Ärgernis und verwirrt sie. Auf der anderen Seite sagt Paulus (Röm. 10.): „Mit dem Herzen wird geglaubt, damit man gerechtfertigt werde; mit dem Munde geschieht das Bekenntnis, um das ewige Heil zu erreichen “
b) Ich antworte, was notwendig zum Heile ist, falle unter das göttliche Gebot. Das äußere Bekenntnis des Glaubens nun kann seiner Natur nach nur unter ein affirmatives Gebot fallen. Also darüber was zum Heile notwendig ist, gilt dasselbe wie über die affirmativen Gebote. Diese aber verpflichten wohl immer, aber nicht so, daß sie zu jeder Zeit thatsächlich erfüllt werden müßten (I., II. Kap. 88, Art. 1 ad II.) (semper, sed non ad semper). Vielmehr verpfiichten sie für bestimmte Verhältnisse und Umstände in Zeit und Ort, wonach der menschliche Akt sich richten muß, um Tugendakt zu sein. Also für bestimmte Zeit und Ortsverhältnisse ist es zum Heile notwendig, den Glauben äußerlich zu bekennen; nicht zu jeder Zeit ist man dazu verpflichtet. Die Verpflichtung tritt nun dann ein, wenn durch die Unterlassung des Bekenntnisses Gott die gebührende Ehre entzogen würde oder dem Nächsten der Nutzen, den er beanspruchen kann; z. B. wenn jemand, gefragt um seinen Glauben, schweigen wollte und die anderen daraus schlössen, er hätte keinen oder nicht den richtigen und so andere auf Grund seines Schweigens vom Glauben abfallen würden. In diesem Falle und ähnlichen ist das Bekenntnis des Glaubens zum Heile notwendig.
c) I. Der Zweck des Glaubens ist der Zweck der Liebe, also die Liebe Gottes und des Nächsten. Wann also die Ehre Gottes oder der Nutzen des Nächsten es so erfordert, muß der Mensch sich nicht damit begnügen, selber kraft seines Glaubens mit der göttlichen Wahrheit Verbunden zu sein, sondern muß seinen Glauben äußerlich vor anderen bekennen. II. Im Falle der Notwendigkeit, wenn nämlich der Glaube Gefahr läuft, ist jeder gehalten, seinen Glauben zu offenbaren; sei es um die anderen zu unterrichten sei es um sie zu kräftigen sei es um dem Spotte der Ungläubigen entgegenzutreten. III. Entsteht ohne irgend einen Nutzen für den Glauben oder für die Gläubigen aus dem äußeren Bekenntnisse des Glaubens eine Verwirrung unter den Ungläubigen, so ist es nicht lobenswert, in solchem Falle den Glauben zu bekennen; denn „man soll das Heilige nicht den Hunden geben und die Perlen nicht den Schweinen, damit sie sich nicht umkehren und euch zerfleischen.“ (Matth. 7.) Besteht aber ein Nutzen für den Glauben oder eine Notwendigkeit, so muß man trotz der Verwirrung den Glauben bekennen. Deshalb sagte der Herr den Jüngern, die Ihm berichtet hatten, die Pharisäer hätten an seinen Worten Ärgernis genommen: „Lasset sie; sie sind blind und Führer von Blinden.“ (Matth. 15.)
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