Zweiter Artikel. Der Aufruhr ist Todsünde.
a) Das wird bestritten. Denn: I. Der Aufruhr ist eine Unruhe, die den Kampf vorbereitet. Mancher Kampf aber ist gerecht. II. Der Aufruhr ist eine gewisse Zwietracht; diese aber kann ohne schwere und bisweilen ohne jede Sünde sein. III. Wer ein Gemeinwesen von tyrannischer Bedrückung befreit, wird gelobt. Dies aber kann selten geschehen ohne einen Aufruhr. Auf der anderen Seite zählt Paulus den Aufruhr unter anderen Todsünden auf.
b) Ich antworte, der Aufruhr stehe entgegen der Einheit eines Volkes oder eines Staates. „Das Volk aber,“ sagt Augustin (2. de civ. Dei 2l.) „leiten die Weisen; Volk nun nenne ich nicht jede Ansammlung von Menschen, sondern eine solche, welche durch die Gemeinschaft des Rechtes und des Nutzens aus eigener Zustimmung in sich ein Ganzes bildet.“ Offenbar also steht der Aufruhr im Gegensatze zur Gerechtigkeit und zum gemeinsamen Nutzen, zum Gemeinbesten; und sonach ist er ein desto größeres Verbrechen als das Gemeinbeste ein größeres Gut ist wie das Privatbeste, was der Streit angreift. Die Sünde des Aufruhrs nun ist an erster leitender Stelle in jenen, welche ihn hervorrufen; diese begehen eine sehr schwere Sünde; — dann ist sie in jenen, welche diesen Leitern folgen und den öffentlichen Frieden verwirren. Die aber dem Aufruhre Widerstand leisten, sind nicht als aufrührerisch zu bezeichnen; wie auch jene nicht streitsüchtig sind, die sich verteidigen.
c) I. Ein Kampf ist gerecht, der für das Gemeinbeste, für den gemeinen Nutzen, geschieht. Der Aufruhr aber richtet sich gegen den gemeinen Nutzen; ist also immer Todsünde. II. Die Zwietracht in dem, was nicht als etwas Gutes offen vorliegt, kann ohne Sünde sein. Die Einheit und der Frieden im Staate aber ist ein offenbares Gut. III. Das tyrannische Regiment ist kein gerechtes; denn es hat zum Zwecke nicht das Gemeinbeste, sondern das Privatbeste des Tyrannen. (4 Polit. 5.) Die Zerstörung eines solchen Regiments also hat nicht den Charakter des Aufruhrs; es müßte denn eine solche Zerstörung mit so großem Nachteile für das Volk oder den Staat verbunden sein, daß im Vergleiche dazu das tyrannische Regiment noch besser wäre. Vielmehr ist der Tyrann aufrührerisch, der im Gemeinwesen Zwietracht und Aufruhr nährt, damit er mit größerer Sicherheit herrschen könne.
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