Zweiter Artikel. Die Andacht ist ein Akt der Gottesverehrung.
a) Dies ist nicht der Fall. Denn: I. Die Andacht macht, daß jemand sich Gott hingiebt. Dies geschieht aber durch die heilige Liebe. „Die Liebe bewirkt, daß jemand außer sich wird; sie läßt die liebenden nicht ihrer selbst mächtig sein, sondern giebt sie in die Gewalt dessen, was sie lieben,“ sagt Dionysius. (4. de div. nom. 1.) II. Die Liebe geht der Gottesverehrung, die Andacht aber der Liebe voraus. Denn die Liebe wird Kant. 8. und Ps. 62. durch das Feuer bezeichnet; die Andacht durch das Fett, welches der Stoff für das Feuer ist. Also ist die Andacht kein Akt der Gottesverehrung. III. Die Gottesverehrung berücksichtigt allein Gott. Andacht aber hat man auch gegenüber einzelnen Menschen, wie man andächtig auf heilige Männer z. B. hört. Also. Auf der anderen Seite wird „Andacht“ so genannt vom beständigen Denken an Gott; von der Hingabe also an denselben. Eine solche Hingabe aber hat ihre Quelle zumal in Gelübden, die da Akte der Gottesverehrung sind.
b) Ich antworte, zur selben Tugend gehöre es, etwas thun wollen und bereitwillig sein dazu, wie „kraft der Gerechtigkeit die Menschen wollen, und thun, was gerecht ist,“ nach 5 Ethhic. 1. Thun aber das, was dem Dienste Gottes entspricht, ist offenbar ein Akt der Gottesverehrung. Also ist der bereite Wille oder die Andacht ein Alt derselben.
c) I. Der heiligen Liebe entspricht es, daß der Mensch sich Gott hingiebt kraft einer gewissen Einigung des Geistes; der Andacht, daß er sich hingiebt für Kultushandlungen. II. Das körperlich Fette wird einerseits erzeugt durch die natürliche Wärme, welche der Verdauung dient und andererseits hat diese Wärme als Nahrungsstoff das Fette. So auch ist die heilige Liebe Ursache der Andacht; denn sie macht, daß jemand bereit ist, Gott als dem Freunde in den einzelnen Kultushandlungen zu dienen; — und dann ist die Andacht die Nahrung der Liebe, wie jede Freundschaft aufrecht erhalten und genährt wird durch Andenken und durch Ausübung freundschaftlicher Werke. III. Die Andacht, die sich auf Worte und Werke von Heiligen richtet, bleibt bei diesen nicht stehen; sondern geht auf Gott hin, dessen Diener wir in den Heiligen verehren.
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