Erster Artikel. Die Hingebung oder Frömmigkeit (pietas) ist eine Gabe des heiligenGeistes.
a) Dies scheint nicht. Denn: I. Die Hingebung ist eine Tugend. (Kap. 101, Art. 3.) Die Tugenden aber sind unterschieden von den Gaben des heiligen Geistes. (I., II. Kap. 68, Art. 1.) II. Die Gaben des heiligen Geistes stehen voran den Tugenden. Unter den Teilen der Gerechtigkeit aber ist der hervorragendste die Tugend der Religion oder Gottesverehrung. Also muß diese vielmehr als Gabe des heiligen Geistes genannt werden. III. Die Gaben des heiligen Geistes bleiben im ewigen Heim. (I., II. 68, Art. 6.) Der Akt der Hingebung aber kann da nicht bleiben; denn „die Hingebung füllt das Innere an mit den Werken der Barmherzigkeit.“ (Nach 1. moral. 16.) Auf der anderen Seite steht die Stelle bei Isaias 11.
b) Ich antworte, die Gaben des heiligen Geistes seien gewisse Verfassungen oder Vorbereitungen in der Seele, kraft deren diese etwas vom heiligen Geiste leicht in Thätigkeit zu Setzendes wird. Nun bewegt und bestimmt uns auch u. a. der heilige Geist dazu, daß wir eine kindliche Hinneigung haben, nach Röm. 8, 15. Weil also der Hingebung es im eigentlichen Sinne zukömmt, dem Vater Verehrung und Dienste zu erweisen, so folgt, daß jene Hingebung, kraft deren wir Gott, als unserem Vater, Ehre und Dienst darbringen und zwar auf den Antrieb des heiligen Geistes hin, eine Gabe des heiligen Geistes ist.
c) I. Die Hingebung als Tugend dient dem Vater dem Fleische nach und ehrt ihn; die Hingebung als Gabe des heiligen Geistes thut dies Gott gegenüber als unserem Vater. II. Gott verehren als den Schöpfer und Ihm so einen Kult darbringen, wie dies die Tugend der Religion thut, steht voran der Hingebung dem fleischlichen Vater gegenüber und dieses Letztere ist die Tugend der Hingebung. Gott verehren aber als unseren Vater ist noch weit hervorragender wie Ihn verehren als Herrn und Schöpfer. Die Hingebung als Gabe des heiligen Geistes also steht höher wie die Tugend der Gottesverehrung oder der Religion; diese letztere aber steht höher wie die Tugend der Hingebung. III. Wie kraft der Tugend der Hingebung jemand nicht nur den Vater dem Fleische nach ehrt und ihm dient, sondern auch den blutsverwandten, soweit sie zum Vater gehören; — so erweist die Gabe der Hingebung nicht nur Gott als unserem Vater Ehre und Dienst, sondern auch den anderen Menschen, insoweit diese zu Gott gehören. Dahin gehört also: die Heiligen ehren; der heiligen Schrift, sei sie verstanden oder nicht verstanden nicht widersprechen; und Ähnliches. (Vgl. Aug. 2. de doctr. christ. 7.) Infolgedessen kommt die Gabe der Hingebung auch den notleidenden um des himmlischen Vaters willen zu Hilfe. Und obgleich, zumal nach dem letzten Gerichte, diese letztere Thätigkeit im ewigen Heim nicht statthaben wird; so doch diese erstere, nämlich Gott kindlich verehren; wie es Sap. 5. heißt.
